Dieser Lebenslauf ist länger als üblich. Jan Raabe (Bielefeld) von der Antifa, der mit Prof. Uta Halle (Bremen) befreundet ist, behauptet öffentlich, dass ich der völkischen Szene angehöre. Deshalb... 

 

1949 - 1962

 

 

 

Silberkessel von Gundestrup (Jütland) 1.Jhdt.v.Chr.

1965

 

 

 

 

1967

Dr. Hans Börnsen. 1907 - 1983. Aufnahme ca. 1965

 

1968

 

 

1969-77

 

 

 

 

 

 

1974

 

 

 

1977

 

Pharao Userkaf. Regierte ~2500-2490 v.Chr.

1981

 

 

 

 

1983

"Darf ich vorstellen? Unser Sohn Johannes Benedikt! Gerade angekommen."
1982-84







1984-89





1983-89





1987

<< Neues Bild mit Text >>

Joachim Heppner. 2014
Prof. Dr. Walther Matthes, 1901 - 1997.
Mesungen am Externsteinrelief Juli 1998

 

 

1998




1999














2000
Dr. Georg Hees 1920-2000
2001




2002






2003





2006

 

 

2007

 

Nachbau des Roten Saals des Münchner Kongresses. Die Säulen J + B und die Tierkreis-zeichen des Antependiums.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christiane Schwarzweller, heute Gerges, inszenierte das Templerdrama "Schwarz-Weiss". Probenfoto.

 

 

2008

 

 

 

 

 

 

2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Waldorflehrer an der Schule Bexbach Horst Biehl auf dem Königshügel Dun. 2009.

Plan des Gartens von Edzell. Links unten das Schloß (Ruine). Das Quadrat ist der ummauerte Garten, "the walled garden". Rechts oben ist das Sommerhaus, in dem, wie man sagt, im Sommer fröhlich getafelt wurde. Rechts unten ist ist das Badehaus. An den drei

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alfred Kon im Emerson College

 

2009

Christian Rosenkreutz-Tagung: Das Auditorium im Rudolf Steiner Haus am 11.10.2009.

2010

 

Karnak. Amun-Tempel. Große Säulenhalle.

Darstellung der Michaelschule in den geheimen Figuren der Rosenkreuzer. Hamburg, 1785.

 

 

 

Kosmos Runge. Die Nachtseite der Dinge. Hamborn. 2011.

2011

 

 

 

 

 

 

2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2013

Gil McHattie in Kilpeck. 6.2.2013

Kilpeck. Portalgewände.

 

 

 

 

 

2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2015

Der Pharao wird vor der Thronbesteigung gereinigt. Kom Ombo. Außenwand.
Stendal. Mariendom. Hauptschiff von West nach Ost.

 

 

 

 

2016

'Von der Theosophie zur Anthroposophie.  Anthroposophie in Hamburg. Band 1.

Mai 2016: Alfred Kon, Horst Biehl, Rolf Speckner im Saarland.

2017

Christian Gerblich.

18.1.1937 - 13.10.2017

"Vernünfticheit ist der tempel gotes..."

Meister Eckart in Köln.

Ausblick

  Es sind immer nur wenige Geister, die die Atmosphäre und den Charakter einer Stadt maßgeblich prägen. In den Äther der Stadt Köln hat Meister Eckhart die Spuren seines Wesens eingeprägt. Seine freilassende Gesinnung, die jede geistige Bevormundung ausschloss, harmoniert mit dem jahrhundertelangen selbstständigen Verhalten der Kölner Bürgerschaft gegenüber ihrem mächtigen geistlichen und weltlichen Oberhaupt.

  Gegen 1260 geboren, wirkte er zweimal für längere Zeit in Köln, nämlich zu Beginn seiner Laufbahn, als er 1280 seine erste theologische Ausbildung erhielt, und an deren Ende. Dorthin kehrte er 1322 auf der Höhe seiner geistigen Reife für die letzten sechs Lebensjahre zurück, und zwar als Leiter des Generalstudiums, das er selbst als junger Mönch absolviert hatte, nachdem er dem Dominikanerorden vier Jahrzehnte hindurch in verschiedenen Aufgaben vor allem in Deutschland gedient hatte.

   Ein Jahr nach Eckharts Tod verurteilte 1329 Papst Johannes XXII in Avignon sechsund-zwanzig aus dem Zusammenhang gerissene Thesen des Meisters. Dieser „irregeleitete Mensch“ habe gegen „die hell leuchtende Wahrheit des Glaubens auf dem Acker der Kirche Dornen und Unkraut“ hervorgebracht.1

  In krassem Gegensatz zu dieser Verurteilung wird Meister Eckhart heute von Menschen in aller Welt unabhängig von Sprache, Volk und Religionszugehörigkeit gelesen, verehrt und geliebt. Er hat etwas zu sagen, was an das allgemein Menschliche jedes Individuums rührt. Den Kern seiner Lehre tragen viele Menschen im Herzen. Seine Sprachgewalt ist ungebrochen und wird trotz eines zeitlichen Abstands von 700 Jahren noch heute selbst in Übersetzungen erfahrbar.

  Es ist weitgehend unbemerkt geblieben, dass seine mystische Geisterfahrung am Ende des 19. Jahrhunderts im Bereich der Denkerlebnisse eine Wiedergeburt gewonnen hat. Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit beschreibt ein Freiheitserlebnis des Menschen, das uns Meister Eckhart aus seinem Quell verstehen lehrt. 

 

Das Leben Meister Eckharts2

  Die Nachrichten über das Leben Eckharts sind spärlich. Eckhart ist um 1260 in Thüringen, möglicherweise in Hochheim bei Gotha, geboren. Wir wissen nicht, wann er in den Umkreis des Dominikanerordens geriet. Von diesem Moment an war sein Leben aber unverbrüchlich mit dem Orden verbunden. Seine spätere langjährige Tätigkeit im Dominikanerkloster von Erfurt legt eine frühe Vebundenheit mit diesem Kloster nahe.

  1277 wurde er  mit etwa 17 Jahren von seinem Konvent nach Paris geschickt zum Studium der Artes, der sieben Freien Künste. Es gab zu der Zeit in Deutschland noch keine Universität. Erst Karl IV. sollte 1347 die erste Universität nördlich der Alpen in Prag gründen. Vorher musste man über die Alpen oder eben nach Paris, wenn man höhere Bildung empfangen wollte. Es war dies der erste von immerhin vier jeweils länger währenden Aufenthalten in Paris, die zusammengezählt sich über sieben Jahre erstrecken.

  Sein eigentliches Theologiestudium begann Eckhart im Jahr 1280 an der Ausbildungsstätte der Dominikaner in Köln, so dass er den hochbetagten Albertus den Deutschen noch gehört haben könnte, der am 12.November 1280 in Köln seine Augen für immer schloss.

  1293/94 finden wir ihn wieder in Paris, wohin ihn der Orden erneut gesandt hatte. Schon sein Studium seit 1277 war eine Auszeichnung, denn aus jeder Provinz durften nur zwei Brüder gleichzeitig dort studieren. Nun konnte er selbst an diesem Zentrum abendländischer Gelehrsamkeit den Predigerorden vertreten. Als Baccalaureus war er beauftragt, die Senten-zen des Petrus Lombardus  vorzulesen und auszulegen. Das entsprach dem alten Verfahren der Vorlesung: dass der Hochschullehrer einen allgemein zugänglichen Text vorlas und dessen Wortlaut erläuterte und kommentierte. Dabei konnten die freien Künste, vor allem Grammatik, Rhetorik und Dialektik, ihre Fruchtbarkeit glänzend erweisen.

  Nach einem Jahr kehrte Eckhart 1294 in sein Heimatkloster in Erfurt zurück. Er wurde Prior des Klosters und bald darauf Vikar der Dominikaner in Thüringen. In dieser Zeit entstanden Eckharts „Reden der Unterweisung“. War die Doppelbelastung durch beide Ämter zuviel? Oder wollte man seine Fähigkeiten an übergeordneter Stelle für den ganzen Orden fruchtbar werden lassen? 1298 wurden die beiden Ämter jedenfalls wieder getrennt.

  1302 siedelt Eckhart wieder nach Paris über. Nach dem Grundstudium und dem Bacca-laureat wurde ihm nun der Magister-Titel zugesprochen, d.h. jetzt erst, mit etwa 42 Jahren, wurde er „Meister“ Eckhart. Der Meister ist ein Professor, d.h. Bekenner. Er darf die Bibel selbst auslegen, nicht nur die Sentenzen anderer Meister. Und in welch tiefem Sinne muss Eckhart als lebendiger Zeuge des Christus empfunden worden sein!  Der dritte Aufenthalt in Paris dauerte wieder nur ein Jahr.

  1303 wurde er in Erfurt zum Provinzial der neugeschaffenen Ordensprovinz Saxonia gewählt. Sie umfasste Sachsen, Brandenburg, Westfalen und die Niederlande sowie die Freien Städte Rostock und Hamburg. Knapp fünfzig Klöster lagen in diesem Gebiet, die er zu visitieren hatte. Ebenso unterstanden ihm neun Frauenklöster. Acht Jahre leistete er die schwere Arbeit in dem weit ausgedehnten Gebiet, bis ihn der Orden 1311 zum zweiten Mal als Magister nach Paris entsandte, wo er, diesmal sogar zwei Jahre lang, die Bibel auslegen durfte. Die Ehre eines zweiten Magisteriums ist nur wenigen zuteil geworden, z.B. Thomas von Aquin.

  An diese Periode, in der er seine Christus-Auffassung - oder soll man sagen Christus-Erfahrung? - halböffentlich aussprach, schloss sich eine Zeit stärkster Verinnerlichung an. Er wurde Vikar der süddeutschen Provinz Teutonica mit Sitz in Straßburg. Sein Wirkenskreis war nun zwar räumlich kleiner, aber er umfasste weit mehr Klöster. Allein 65 Nonnenklöster waren durch Predigt und Seelsorge zu betreuen. Da er als Dominikaner auch öffentlich predigte, hatte er dem weit verbreiteten Interesse der Laien an einer geistigen Vertiefung gerecht zu werden. Allein in Straßburg gab es 85 Beginenhäuser, in denen Frauen lebten, die ohne die Pflichten und Privilegien der Nonnen ein Leben in der Nachfolge Christi führen wollten. Gerade am Oberrhein blühte die Mystik der Nonnen und Laien ganz besonders auf. Den verständnisvollen Ohren dieser Frauen und dem Echo ihrer Herzen sind viele Niederschriften der Worte des „Meisters“ zu verdanken. Wenn Eckhart bis 1322 auch das Generalstudium der Dominikaner in Straßburg geleitet haben sollte, dürften ihm auch Johannes Tauler und Heinrich Seuse als junge Ordensbrüder zugehört haben.

 

Meister Eckhart in Köln

  Schließlich kehrte Meister Eckhart 1322 nach Köln zurück. Im Alter von über 60 Jahren übernahm er die Leitung der allgemeinen Mönchsausbildung, das Generalstudium. Die Stadt der drei Weisen aus dem Morgenlande übte eine starke Anziehung auf die Lernbeflissenen aus den Ordensprovinzen des Ostens aus, so dass unter den vielleicht 30 Eleven immer auch einige aus Polen und Ungarn kamen; auch Engländer waren vereinzelt unter den Schülern.

   Eckhart wollte seine Schüler nicht etwas Neues lehren, sondern glaubte sich ganz in Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche. Doch brachte er die christliche Lehre so als ureigene Einsicht vor, dass sie wie „neugeboren“ erschien. Er schöpfte seine Einsicht aus dem Quell der Lehrsätze selbst. Meister Eckhart hat die Möglichkeit der Seele, eine unmittelbare Erfahrung der Gottheit zu haben, nicht nur in Wort und Schrift vertreten und verteidigt, sondern auch gelebt. Er war Lesemeister und Lebemeister. Dadurch konnte er der geistige Führer vieler Menschen – vor allem von Frauen und jungen Ordensangehörigen – werden, deren Betreuung ihm als Priester oblag und deren Vertrauen er als Mensch gewann. Vier Jahre übte er seine Lehrtätigkeit in Köln ungestört aus.

  Dann musste der begeisterte „Gottesfreund“ einen Kampf gegen diejenigen Mächte führen, die das freie geistige Leben Einzelner den zu dogmatischen Denkschablonen herabgesunkenen Dogmen der Kirche unterordnen wollten und wollen. 1326 eröffnete Heinrich von Virneburg, der Kölner Erzbischof, ein Inquisitionsverfahren gegen Meister Eckhart. Von nun an bemühte sich Meister Eckhart die letzten beiden Jahre seines Lebens darum, seine Lehre zu rechtfertigen. Zwar war der Erzbischof für ihn als Ordensangehörigen gar nicht zuständig. Doch stellte sich der Meister – unter Hinweis auf diese Tatsache, dass er sich vor keinem Forum als vor dem „der Pariser Universität und dem des Papstes“ zu verantworten brauche – freiwillig der Untersuchungskommission. In seiner Verteidigungsrede wunderte er sich „mit spürbarer Ironie, daß man ihm in seinen Schriften und Worten nicht viel mehr angekreidet habe, da er doch Hunderte von Äußerungen getan, die die Beschränktheit seiner Kritiker nicht verstehe. Zwar sei er sich bewußt, kühn und ungewöhnlich über Außerordentliches geschrieben und gesprochen zu haben; von hohen Dingen könne auch nur in hohen Worten, mit emphatischem Ausdruck und mit erhabener Seele gekündet werden.“3 Ein Rettungsversuch seines Ordens, eine interne Überprüfung, ergab zwar die Rechtgläubigkeit des Meisters, ihre Bekanntgabe wurde aber von der Kölner Untersuchungskommission, in der Mitglieder rivalisierender Orden überwogen, nicht zur Kenntnis genommen. Eckhart selbst appelliert, als der Prozess verschleppt wird, am 24.Januar 1327 an den Papst. Das Schreiben lässt er durch seinen Ordensbruder Konrad von Halberstadt vor der erzbischöflichen Kommission vortragen. Vierzehn Tage später wendet er sich an die Kölner Öffentlichkeit. Am 13.Februar verliest Konrad von Halberstadt nach der Predigt von der Kanzel herab eine Erklärung in lateinischer Sprache. Eckhart selbst übersetzt sie Wort für Wort für das Volk. Darin erklärt er, er habe während seines ganzen Lebens jeglichen Irrtum und jegliche Sünde mit aller Kraft zu meiden gesucht. Deshalb widerrufe er, sollte ihm jemand tatsächlich einen Irrtum nachweisen, diesen schon im vorhinein. Er könne wohl irren, aber er sei kein Häretiker, denn das setze den Willen dazu voraus.

  Eckhart muß außerordentlich beliebt beim Volk gewesen sein. Schon vor den selbsternannten Kölner Inquisitoren bezweifelt er, „wenn sein Ruhm beim Volke und sein Eifer für die Gerechtigkeit geringer gewesen wären“4. Und auch die abschließende Bulle des Papstes erwähnt ausdrücklich, dass er seine Lehren „hauptsächlich vor dem einfachen Volke in seinen Predigten lehrte und ... auch in Schriften niedergelegt hat.“5

  Die Kommission des Erzbischofs weigerte sich, Eckharts Appellation an Avignon weiterzugeben. So musste er sich entschließen, im Alter von etwa 67 Jahren eine letzte große Reise anzutreten. Sein Erscheinen vor der päpstlichen Kommission in Avignon hatte nicht den gewünschten Erfolg. Da die Bulle von einem „verstorbenen“ Meister Eckhart spricht, kann er deren Abfassung nicht mehr miterlebt haben. Als erfahrenem Kirchenmann wird ihm aber die Stimmung seiner Richter nicht entgangen sein.

  Was das für einen Mann in seinem Alter und in seiner Stellung bedeutet haben muß, ist für uns kaum noch nachzuvollziehen. Ungeheure Fragen müssen seine Seele erfüllt haben. Sollte er sich in dem Wichtigsten, Zentralsten seiner Existenz etwa doch geirrt haben? Wenn aber nicht, wieso verstanden ihn die Kirchenvorsteher nicht? War die ganze Kirche in die Hände der Feinde des Christus geraten? Die Kirche Christi? Wie konnte er das zulassen? Was bedeutete das für die Zukunft der Christenheit?  

  Die Last der Reise, die demoralisierende Wirkung der dräuenden Verurteilung und die Last der aufgeworfenen Fragen müssen an seinen letzten Kräften gezehrt haben. Wann er gestorben ist, wissen wir nicht genau. Ob der Tod noch in Avignon eintrat, oder auf der Rückreise oder in Köln, ist ungewiß. Auch seine letzte Ruhestätte ist unbekannt.

  So starb Meister Eckhart in der Zeit zwischen Frühjahr 1327 und März 1329 im Alter von mehr als 67 Jahren, ohne seinen Freispruch erreicht zu haben. Die geistigen Gegner der Freiheit haben ihn bis über den Tod hinaus verfolgt und seine Verurteilung durch den Papst erwirkt.

 

Die Verurteilung

  Am 27.März 1329 unterzeichnete Johannes XXII. Die Bulle „In agro dominico“, „Auf dem Acker des Herrn“. Sie spricht deutlich aus, worum es ging, nämlich, „daß in dieser Zeit einer aus deutschen Landen, Eckehart mit Namen, und wie es heißt Doktor und Professor der Heiligen Schrift, aus dem Orden der Predigerbrüder, mehr wissen wollte als nötig war...“6 „Auf dem Acker des Herrn“ müsse er „die geistliche Pflege so wachsam und besonnen ausüben, daß, wenn irgendwo ein Feind auf ihm über den Samen der Wahrheit Unkräuter sät, sie im Entstehen erstickt werden, bevor sie zu Schößlingen verderblichen Keimens aufwachsen, damit ... die Saat der katholischen Wahrheit fröhlich aufgehe“. So blumenreich hat Johannes XXII. sein Ketzergericht umschrieben. Das bukolische Bild täuscht leicht darüber hinweg, dass der Vergleich nicht treffend ist. Wohl kann man Pflanzen, die anderen ihre Lebensmöglichkeiten rauben, ausreißen, aber kann man so mit individuell einzigartigen Menschen umgehen? Hier fehlt offensichtlich gerade das Verständnis für das „Fünkelein“, um das es Meister Eckhart ging.

   Die über 100 von der Kölner Kommission beanstandeten Sätze wurden auf 26 zusammengestrichen. Von ihnen wurden siebzehn als häretisch beurteilt, elf als der Häresie verdächtig bezeichnet. Zwei Sätze wurden in der Bulle noch hinzugefügt. Sie fassen im Grunde den Kern der Anklage zusammen:

  „1. Es ist etwas in der Seele, das unerschaffen und unerschaffbar ist; wenn die ganze Seele solcherart wäre, so wäre sie unerschaffen und unerschaffbar, - und dies ist Vernunft.

  2. Gott ist weder gut noch besser noch vollkommen; wenn ich Gott gut nenne, so sage ich etwas ebenso Verkehrtes, als wenn ich das Weiße schwarz nennen würde.“7

   Wenn man diese beiden Sätze betrachtet, entdeckt man, dass sie sich auf unser Verhältnis zur Welt und zu uns selbst beziehen. Es ist einerseits die denkende Betätigung des Menschen, die jenseits von Subjekt und Objekt, von Werden und Vergehen, von Raum und Dauer ist, die alle diese Begriffe erst schafft und ihnen damit zeitlich und wesentlich voraus ist. Der Meister nennt sie die Vernunft. Ihr Vermögen ragt in das Unerschaffene hinein, wenn es sich dem Wesen der Einzeldinge eint. Sie vermag in das Unerschaffene aller Dinge einzutreten, muß also der Welt vor der Schöpfung mindestens wesensverwandt sein. In dieser Welt gibt es aber keine Verwanndschaft, sondern nur Identität, Einssein. So erweist sich dieser Funke als selbst zum unerschaffenen Lichte gehörig, das auch nicht erschaffen werden kann, denn dann müßte es aus sich heraustreten und Teil der Schöpfung werden.

  Zum andern geht es um die die Moral schöpfende Fähigkeit desselben Wesens, das wir Mensch nennen. Meister Eckhart spricht von „Gott“. Wir können ihn aber verstehen, wenn wir vom freien Menschen ausgehen. Der Freie fragt nicht, ob eine Handlung gut ist, er vollzieht sie, weil er sie eingesehen hat und liebt. Er ist durch keinen moralischen Begriff gebunden, er schafft ja die moralische Realität erst. Er schafft diese Realität in jedem Augenblicke neu. Weil diese Liebe nichts anderes ist als die Selbstoffenbarung seines Wesens, sein eigentlicher Wille, schafft er damit sich selbst. Diese Potenz an ein Regelsystem gebunden zu denken und sie danach beurteilen zu wollen, hieße wohl tatsächlich Weiß Schwarz zu nennen.

  Auf die anderen beanstandeten Sätze soll hier nicht eingegangen werden. Sie lassen sich leicht als Abwandlungen dieser einen Konfession erkennen.                                                                                                                                                    

   Meister Eckhart ist seinen Überzeugungen auch im Angesicht der lebensgefährlichen Anklage treu geblieben. Zwar betont die Bulle, dass „der genannte Eckhart am Ende seines Lebens die angeführten 26 Artikel, die gepredigt zu haben er bekannte,“ insofern sie „in den Gemütern der Gläubigen einen häretischen oder irrtümlichen und dem wahren Glauben feindlichen Sinn erzeugen könnten, soweit es diesen Sinn betrifft, widerrufen wie auch verworfen hat“8. Aber die Formulierung enthält eben die deutliche Einschränkung „soweit es diesen Sinn betrifft“. Er verstand seine Aussagen weiterhin als wahr; nur „insofern sie in den Gläubigen einen irrtümlichen Sinn erzeugen könnten“ widerrief er.

  Gerhard Wehr vermutet folgenden Grund für das Vorgehen: „Das Verlangen nach eigener religiöser Erfahrung, nach spiritueller Gott-Unmittelbarkeit ist groß, entsprechend geschärft sind Auge und Ohr der kirchlichen Hüter des Dogmas. Sie drohen in dem Augenblick überflüssig zu werden, in dem diese Gott-Unmittelbarkeit für einen Menschen innerste Gewißheit wird. Das Gespenst der Häresie geht um in Europa!“9 Das beschriebene Motiv erscheint zwar plausibel, allein die Quellenlage gestattet keinen Beweis.

  Ich möchte Wehrs Vermutung ein anderes mögliches Motiv an die Seite stellen. Begegnet einem Menschen ein anderer, der ihm geistig überlegen ist, dann wird er – je nach seinem Charakter – dessen Nähe als Lernender suchen oder sich entgegen besserer Einsicht dem Einfluss dieses Geistes verschließen. Das Verdrängen der anderen Geistigkeit geschieht zuerst im Inneren. Das Ketzergericht führt dann nur noch äußerlich aus, was innerlich schon vollendet ist.

  Der Angriff auf sein innerstes Anliegen mußte auch sein Leben treffen. Sein Geist aber blieb stark. Insofern hat Meister Eckhart seinen Mut sogar mit dem Leben bezahlt; äußerlich war das gewiss eine Niederlage, aber innerlich ein Sieg.

 

 

Die Geburt des Wortes in der Seele

  Wirksam geworden ist Meister Eckhart vor allem durch das gesprochene Wort. Als Herausgeber seiner deutschen Predigten hat Joseph Quint wie kaum ein anderer deren verschiedene Versionen und Handschriften gekannt und der Forschung die Wege zu ihrer Einordnung gebahnt. Er unterschied Predigten, auf die sich Eckhart selbst in seiner Verteidigungsschrift bezieht, und ähnlich beglaubigte Wortlaute von solchen, deren Zuordnung unsicher ist.10 Ihm vertrauend werde ich nur die von ihm als verhältnismäßig sicher angesehen Wortlaute verwenden. Auch diese sind vermutlich an einzelnen Stellen nicht wörtlich. Denn es sind durchwegs nur spätere Abschriften tradiert, deren ausführenden Händen selbst keine Originale vorlagen, sondern die selbst bereits früher erstellte Abschriften benutzten. Doch spricht durch diese Texte ein unverwechselbarer Tenor, der uns die Sicherheit geben kann, dass ihre Niederschriften von Menschen angefertigt wurden, die von Eckharts Geist berührt waren.

  Was ergriff die Erfurter Mönche seines Heimatkonventes und die Ordensbrüder in den weit verstreuten norddeutschen Klöstern? Was lernten die Pariser Studenten bei ihm? Was stillte die spirituelle Sehnsucht der Frauen in den oberrheinischen Klosterzellen und Beginenhöfen? Welchen Keim legte er zuletzt in die aus weiten Teilen Europas nach Köln, dem Sitz der Weisheit, gezogenen Dominikaner-Zöglinge?

   Joseph Quint hat die Mitte seines Denkens in knappster Weise beschrieben und gewürdigt: „Man hat von Eckehart gesagt, es mache seine Größe aus, daß er eigentlich nur einen einzigen Gedanken habe, einen Gedanken zwar, tief und erhaben genug zum Leben wie zum Sterben. Dieser eine Grund- und Kerngedanke Eckeharts, aus dem alle übrigen entwickelt, zu dem sie andrerseits alle hin orientiert sind, ist der von der Geburt des Wortes in der Seele. Wer nicht erfasst hat, daß die Geburt des Sohnes durch den göttlichen Vater im Seelenfunken den einzigen Anlaß, den Inhalt und das Ziel der Predigt Eckeharts ausmacht und seinen Ausführungen, fast möchte ich sagen, eine großartige Eintönigkeit gibt, der hat Eckehart verkannt.“11

 

Jesus trat in den Tempel

  Die meisten Predigten Eckharts verkündeten schon im Titel seine zentrale Intuition.Eine von ihnen heißt: „Intravit Jesus in templum et coepit eicere vendentes et ementes.“ Ihr Thema  heißt übersetzt: „Jesus trat in den Tempel und begann die hinaus zu werfen, die da verkauften und kauften.“ (Matth.21,12)

    Das angesprochene Geschehen besitzt zwei Teile. Zuerst tritt Jesus in ein Gebäude. Dann wirft er andere, die darin sind, hinaus. Meister Eckhart nimmt das scheinbar so schlichte Eintreten, von dem in der Bibel erzählt wird, als Bild. Dabei deutet er das Bild des Tempels in dem Sinne aus, in dem Christus das Wort gebraucht hat, als er davon sprach, er werde den Tempel innerhalb von drei Tagen wieder aufrichten, und dabei von dem Tempel seines Leibes sprach.

  Der Leib jedes Menschen ist das Haus, in dem seine Seele wohnt. Er kann zum Tempel werden. In einem Tempel können viele Menschen anwesend sein, so wie die Seele verschiedenste Qualitäten und Fähigkeiten besitzt, die nebeneinander im Haus des Leibes wohnen. Der Leib wird zum Tempel, wenn die Seelenqualitäten entsprechende sind. Dann kann es sich ereignen, dass „Jesus in den Tempel eintritt“. Meister Eckhard sagt aber nicht, der Leib sei ein Tempel sondern die Seele. So wie der Leib Haus oder Tempel für die Seele sein kann, so kann die Seele ein Tempel für den Geist sein. Das Geschehen, von dem er spricht, spielt sich also an der Grenze zwischen Geist und Seele ab.

  Findet der, der da eintritt, in der Seele Eigenschaften, die nicht in den Tempel gehören, die nicht zu seiner Anwesenheit passen, müssen sie den Tempel verlassen; schlechte Eigen-schaften müssen mit Gewalt vertrieben werden. Er kann nur allein Herr im Hause sein. 

Meister Eckhart spricht das wie folgt aus:

„Warum warf Jesus hinaus, die da kauften und verkauften, und hieß die, die da Tauben feilhielten, wegräumen? Er meinte damit nichts anderes als dass er den Tempel leer haben wollte, recht, als ob er hätte sagen wollen: ‚Ich habe das Recht auf diesen Tempel und will allein darin sein und die Herrschaft darin haben.’ Was will das besagen? Dieser Tempel, darin Gott gewaltig herrschen will nach seinem Willen, das ist des Menschen Seele,..“12

   Nun gibt Meister Eckhart die Ursachen an, auf Grund derer so etwas möglich ist. Die Scholastiker suchten in jeder Sache vier Ursachen: die causa materialis und die causa formalis (Stoff und Form), sowie die causa finalis und die causa efficiens (Motiv und Triebfeder).          Zunächst ist die Einwohnung Gottes in der menschlichen Seele nur möglich, weil die Substanz der Seele so beschaffen ist (causa materialis), daß sie der Träger der Gottheit werden kann. Das liegt aber an deren Ursprung in der Schöpfung (causa formalis).

„Dieser Tempel ... ist des Menschen Seele, die er so recht als ihm selbst gleich gebildet und geschaffen hat, wie wir lesen, daß unser Herr sprach: ‚Machen wir den Menschen nach unserm Bilde und zu unserm Gleichnis!’(1Mos.1,26) Und dies hat er auch getan. So gleich ihm selber hat er des Menschen Seele gemacht, daß´im Himmelreich noch auf Erden unter allen herrlichen Kreaturen, die Gott so wundervoll geschaffen hat, keine ist, die ihm so gleicht wie einzig des Menschen Seele. Hierum will Gott diesen Tempel leer haben, auf daß dann auch nichts weiter darin sei als er allein.“

   Als nächstes gibt er den Zweck, die causa finalis, oder besser gesagt, das Motiv an, um dessen willen Gott in der Seele sein möchte:

„Hierum will Gott diesen Tempel leer haben... Das ist deshalb so, weil ihm dieser Tempel so wohl gefällt, da er ihm so recht gleicht und es ihm selber so wohl behagt in diesem Tempel, wenn immer er allein darin ist.“ Man könnte auch sagen, er gibt das Motiv nicht an, denn Gott will es, weil er es will. Sein Motiv ist, dass es ihm behagt. Meister Eckhart gibt also keine moralischen Beweggründe an wie: er will uns erlösen, er will uns läutern, er will unser Bestes. Nein: seine Handlung ist Selbstzweck: er will in der menschlichen Seele sein, weil er es liebt darin zu sein! Das Wesen, von dem er spricht, tut keine Dinge um eines Zweckes willen, sondern es handelt, weil es diese Handlung will. Für dieses Wesen sind Motiv und Triebfeder (causa efficiens) eins. Denn es wird nur von seinem Motiv bewegt. Es nimmt nie eine Handlung „in Kauf“ um eines anderen Zweckes willen.

  Nun wird deutlich, warum die, die kaufen und verkaufen, unbedingt aus dem Tempel heraus müssen. Jeder Kauf ist ein Tausch. Wer eine Handlung in seinem Tempel vollzieht, in seiner Seele, um etwas dafür zu bekommen, der verkauft seine Seele. Er will die Handlung, z.B. ein Gebet, gar nicht, sondern vollzieht sie um einer Gegengabe willen, z.B. um eines annehmlichen nachtodlichen Daseins willen, das er als Lohn erwartet. Das ist übrigens der tiefere Grund, warum Lohnarbeit menschenunwürdig ist. Einen solchen Kuhhandel muss der, von dem hier die Rede ist, ablehnen. Den Händler muss er vertreiben. Er kann neben sich nur den dulden, der alle Handlungen im Tempel um ihrer selbst willen vollzieht. Er handelt aus Liebe zur Handlung. Das Gebet und die Meditation möchte er um ihrer selbst willen vollziehen, nicht um eines Erfolges willen. Die Liebe zur Handlung und der berechnende Zweck sind miteinander im Widerspruch, deshalb verschmäht die Liebe zur Handlung jede zusätzliche Begründung wie das Licht die Finsternis.

  Meister Eckhart sagt das so:

„Seht, alle die sind Kaufleute, die sich hüten vor groben Sünden und wären gern gute Leute und tun ihre Werke Gott zu ehren, wie Fasten, Wachen, Beten ... und tun sie doch darum, daß ihnen unser Herr etwas dafür gebe oder daß ihnen Gott etwas dafür tue, was ihnen lieb wäre: das sind alles Kaufleute...“13

  Er beweist den Kaufleuten dann, dass ihr Versuch vergebens ist und scheitern muss, denn alles, was sie haben, haben sie von Gott. Gäben sie es alles hin, wäre er ihnen doch nichts schuldig, „es sei denn, daß er es freiwillig umsonst tun wolle.“14  Es sei daher ein Zeichen von Unwissenheit, von Seelenfinsternis, wenn man mit Gott handeln wolle. Diese Finsternis muss hinaus, damit das Licht der Wahrheit leuchten kann.

  Meister Eckhart beschreibt die Handlungsweise Gottes durch den Freiheitsbegriff:

„Gott sucht das Seine nicht; in allen seinen Werken ist er ledig und frei und wirkt sie aus echter Liebe.“15

Dass er das Seine nicht suche, heißt, er sucht nicht seinen Vorteil, sondern er vollzieht jede Handlung um ihrer selbst, aus Liebe zur Handlung. Man braucht in Eckharts Satz nur an Stelle des Wortes Gott die Worte „der Freie“ einzusetzen und erhält einen Satz, der so nicht in der Philosophie der Freiheit steht, aber stehen könnte:

„Der Freie sucht das Seine nicht; in allen seinen Werken ist er ledig und frei und wirkt sie aus echter Liebe.“ War das nicht Rudolf Steiners Devise: „An Gottes Stelle den freien Menschen!“?

  Dass der Freiheitsbegriff, den er auf die Gottheit anwendet, auch ganz ebenso für den Menschen gilt, sagt Meister Eckhart selbst: „Gott sucht das Seine nicht; in allen seinen Werken ist er ledig und frei und wirkt sie aus echter Liebe. Ganz ebenso tut auch der Mensch, der mit Gott vereint ist; der steht auch ledig und frei in allen seinen Werken und wirkt sie allein Gott zu Ehren und sucht das Seine nicht, und Gott wirkt es in ihm.“ 16 Wenn man diese Identität der menschlichen mit der göttlichen Freiheit durchdenkt, kann man Meister Eckharts Gedanken auch umdrehen. Er sagt, ebenso tue auch der Mensch, der mit ihm vereint ist. Aus dem Vorangehenden ist deutlich, dass nur der ebenso tut, der mit ihm vereint ist. Heißt das nicht umgekehrt, dass der, der ledig und frei in allen seinen Werken steht und nicht das Seine sucht, mit „Gott“ vereint sein muss? Heißt das nicht, dass der Freie mit Gott vereint sein muss, weil er frei handelt?

   Diesen Schluss hat auch Meister Eckhart gezogen, wie im weiteren Verlauf der Predigt deutlich wird. Zunächst geht er auf diejenigen ein, die die Opfertauben um ein Geringes abgeben. Sie sollen, sagt Christus milde, „dies fortschaffen“. Gewohnheitsmäßige Handlun-gen, die gut sind, können nicht verurteilt werden, aber die Gewohnheit hindert die an sie gebunden Handelnden an der Erreichung „der allerbesten Wahrheit: daß sie nämlich sollten frei und ledig sein, wie unser Herr Jesus Christus frei und ledig ist...“. Auch hier ist das Kriterium der Beurteilung der Handlung das Verhältnis zur Freiheit. Was die Freiheit hindert soll im Tempel unterbleiben, selbst wenn es vom Standpunkte des Gewohnten „gut“ ist. 

 

Ein Kapitel Hierarchienlehre

  Die Stellung der Erdengeschöpfe und der Hierarchien zum freien Menschen und des Menschen zu ihnen muss, nachdem die Wesensgleichheit des Menschen mit seinem Schöpfer hinsichtlich der Freiheit erkannt ist, neu betrachtet werden. So vergleicht der Meister die Freiheit des Menschen mit den Eigenschaften der geschaffenen Wesen: „Wenn dieser Tempel so frei wird von allen Hindernissen, ... so glänzt er so schön und leuchtet so lauter und klar über alles (hinaus) und durch alles (hindurch), das Gott geschaffen hat, daß niemand ihm mit gleichem Glanz zu begegnen vermag als einzig der ungeschaffene Gott allein. Alles, was unterhalb der Engel ist, das gleicht diesem Tempel überhaupt nicht. Die höchsten Engel selbst gleichen diesem Tempel der edlen Seele bis zu gewissem Grade, aber doch nicht völlig.“17     

   Eckhart betont, indem er es gleich zweimal hintereinander sagt: niemand ist diesem Tempel der Seele gleich als der ungeschaffene Gott selbst, nicht einmal die höchsten Hierarchien. Diese gleichen ihm nur bis zu einem gewissen Grade. Und wieder ist es die Freiheit, die den Unterschied selbst zu den höchsten Hierarchien ausmacht. „Daß sie der Seele in gewissem Maße gleichen, das trifft zu für die Erkenntnis und die Liebe. Jedoch ist ihnen ein Ziel gesetzt; darüber können sie nicht hinaus. Die Seele aber kann wohl darüber hinaus. Stünde eine Seele – und zwar die eines Menschen, der noch in der Zeitlichkeit lebte – auf gleicher Höhe mit dem obersten Engel, so könnte dieser Mensch immer noch in seinem freien Vermögen unermeßlich höher über den Engel hinausgelangen in jedem Nun neu...“18

   Die Hierarchien sind weisheitsvoll, sie entfalten Liebekraft, aber sie sind nicht frei. Ihnen ist „ein Ziel gesetzt; darüber können sie nicht hinaus“. Die menschliche Entwicklung aber ist ohne festes Ziel. Was aus dem Menschen wird, bestimmt er selbst. Wenn seine Entwicklung auch ein offenes Ende hat, gibt es doch einen gewichtigen Unterschied zwischen dem freien Menschen und Gott:

   „Gott allein ist frei und ungeschaffen, und daher ist er allein ihr [der Seele] gleich der Freiheit nach, nicht aber im Hinblick auf die Unerschaffenheit, denn sie ist geschaffen.“ Dieser Unterschied ist abstrakt leicht zu fassen, verrät aber erst im inneren Erleben sein Gewicht. „Wenn die Seele in das ungemischte Licht kommt, so schlägt sie in ihr Nichts so weit weg von ihrem geschaffenen Etwas in dem Nichts, daß sie aus eigener Kraft mitnichten zurückzukommen vermag in ihr erschaffenes Etwas. Und Gott stellt sich mit seiner Ungeschaffenheit unter ihr Nichts und hält die Seele in seinem Etwas. Die Seele hat gewagt, zunichte zu werden, und kann auch von sich selbst aus nicht (wieder) zu sich selbst gelangen – so weit ist sie sich entgangen, ehe Gott sich unter sie gestellt hat.“19 

   Das ist die Beschreibung einer übersinnlichen Erfahrung. Taucht der Mensch in das Geisteslicht ein, entsteht die Gefahr, daß ihm das Selbst genommen wird. Denn nur das hat Bestand, was diesem Lichte gleicht. Nur die Göttermächte selbst sind in der Lage, unser Selbst schaffend zu tragen, ihm ihre Substanz zur Verfügung zu stellen. Sie lösen uns auf und schaffen uns neu.

  Man kann auch einfacher sagen: Wenn wir schauen, schauen wir nicht, sondern werden angeschaut. Wir nehmen nur wahr, daß wir angeschaut werden. Dieses Anschauen ist aber ein Denken, ein schöpferisches Denken, von dem der Angeschaute ganz und gar ergriffen und durchdrungen ist. Das schöpferische Licht der Gottheit durchschaut, trägt, erkennt und anerkennt das geistig-moralische Ideenwesen des Menschen. Eine solche Erfahrung ist auch in der Begegnung, die Moses in der Höhle mit der Gottheit hatte, beschrieben. Niemand könne Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Aber tritt in eine Höhle und wende Dein Gesicht dem Höhleninneren zu, sagt sein Gott zu ihm. Ich will hinter Dir vorbeiziehen und Du wirst es merken.     

  Die beschriebene Entwerdung ist notwendig, denn man muß, wenn man über die Schwelle will, alles zurücklassen, auch das letzte muß man aufgeben, seine Gedanken. Der Meister spricht: „Das muß notwendig so sein. Denn, wie ich früher sagte: ‚Jesus war hineingegangen in den Tempel und warf hinaus, die da kauften und verkauften, ...’ – Ja, seht, nun nehme ich das Wörtlein: ‚Jesus ging hinein und hub an zu sprechen: Tut dies fort!’, und sie taten es hin. Seht, nun war da niemand mehr als Jesus allein, und er begann in dem Tempel zu sprechen. Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden  als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muß sie allein sein und muß selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll.“20 

 

Jesus spricht im Tempel

Nach dieser Beschreibung des inneren Weges zu einer Einswerdung mit Jesus schließt der Meister seine Predigt mit einer Schilderung dessen, was Jesus im Tempel spricht. In knappster Form gibt Meister Eckhart im letzten Teil zunächst so etwas wie eine Intuitions-Theorie, nur geht es ihm nicht um eine Theorie, sondern um die Vorbereitung der Zuhörenden auf den Eintritt des Erlebnisses. Das Sprechen der Gottheit geschieht nicht in äußeren Worten. Vielmehr ist das Wesentliche ein Erlebnis des in den Tiefen Angesprochenwerdens. Es ist ein Erlebnis wie man es hat, wenn einem Worte, Bilder, Musik „etwas sagt“. Ein solches „Sagen“, aber ohne Sinnesbild oder Erinnerungsbild tritt ein. Es stammt von einer Wesensdurchdringung:

„Er spricht das, was er ist.“ Wesen nimmt Wesen wahr: das wird im Bilde des Gespräches in allen Mysterienzusammenhängen dargestellt. „Was ist er denn? Er ist ein Wort des Vaters. In diesem nämlichen Worte spricht der Vater sich selbst und die ganze göttliche Natur und alles, was Gott ist, so wie er es erkennt;...“21 Meister Eckhart sagt nicht, er spreche es aus, sondern nur, er spreche es. Würde er es aussprechen, hinaussprechen, wäre es in der Seele; es bleibt aber im Fünklein. So genau ist seine Sprache zu nehmen. Später sagt er: “Der Vater spricht das Wort und spricht in dem Worte und sonst nicht; Jesus aber spricht in der Seele.“22

In der Beschreibung des Worterlebnisses fährt er folgendermaßen fort:

„Indem er das Wort spricht, spricht er sich und alle Dinge in einer andern Person und gibt ihm dieselbe Natur, die er selbst hat, und spricht alle vernunftbegabten Geistwesen in demselben Worte als demselben Worte gleich nach dem ‚Bild’, insofern es innebleibend ist,...“23 Das Sprechen des Weltenwortes ist immer wesenskonstituierend. Aber es dringt nicht nach außen, sondern ist innebleibend. In einer solchen Begegnung, wie sie der Meister hier ausspricht, wird das Wesen des Angesprochenen so neukonstituiert, daß in ihm dieselbe Natur wie die des Weltenwortes Platz greift, daß alle vernunftbegabten Wesen in seiner Person versammelt sind, wenn auch nur als innebleibendes Bild. Der wesenhafte Weisheitsgehalt der Welt drückt sich in sein Wesen ein. Diesen Vorgang kann man als Einweihung bezeichnen.

   Der Meister, der wahrhaft ein Meister ist, fährt fort, indem er das Schicksal der Individualität in diesem Vorgang beschreibt:

   Gottvater spricht „alle vernunftbegabten Geistwesen in demselben Worte als demselben Worte gleich nach dem ‚Bild’, insofern es innebleibend ist, - nicht gleich jedoch demselben Worte in jeder Weise, insofern es ausleuchtet, insofern also ein jedes für sich gesondert Sein hat; sie haben aber die Möglichkeit erhalten, eine gnadenhafte Gleichheit mit demselben Worte zu erlangen. Und dasselbe Wort, wie es in sich selbst ist, das hat der Vater gänzlich gesprochen, das Wort und alles, was in dem Worte ist.“24

  Die ausgesprochenen vernunftbegabten Geistwesen sind dem Wort und einander gleich, insofern ihnen das Bild des Wortes innewohnend bleibt. Insofern sie nicht im Innebleiben verharren, sondern das Licht ihrer Vernunft ausleuchten, differenzieren und das heißt individualisieren sie sich. In ihrem Sondersein ist ihnen aber die Möglichkeit errhalten geblieben, „eine gnadenhafte Gleichheit mit demselben Worte zu erlangen“. Von dieser gnadenhaften Möglichkeit war, wie mir scheint, soeben die Rede. Möglicherweise spricht er aber hier auch vom Abendmahl.

  Die letzten drei Abschnitte der Predigt sind dem gewidmet, was Jesus in der Seele spricht.    

  Er offenbart, was der Vater in ihm gesprochen hat, und zwar je nach der Empfänglichkeit des Geistes. Erstens offenbart er „die väterliche Herrscherkraft in dem Geiste in gleicher unermeßlicher Gewalt. Wenn der Geist diese Gewalt in dem Sohne und durch den Sohn empfängt, so wird er gewaltig in jedem Fortgang, so daß er gleich und gewaltig wird in allen Tugenden und in aller vollkommenen Lauterkeit, also daß weder Liebes noch Leides noch alles, was Gott in der Zeit geschaffen hat, den Menschen zu verstören vermag, er vielmehr machtvoll darin stehen bleibt wie in einer göttlichen Kraft, dergegenüber alle Dinge klein und unvermögend sind.“25 Jesus Christus wirkt das als Inbild Empfangene aus in Seelenkräfte. Die erste Kraft, mit der er die Seele durchdringt, ist die Stärke, die Tugend. Die folgenden Offenbarungen gelten der Weisheit und der Schönheit. Es sind die Früchte der Einweihung, die hier beschrieben werden, die dem Wirken des Sohnes in der Seele zu verdanken sind.

  „Zum andern Male offenbart sich Jesus in der Seele mit einer unermeßlichen Weisheit, die er selbst ist, in welcher Weisheit sich der Vater selbst mit seiner ganzen väterlichen Herrscherkraft sowie jenes nämliche Wort erkennt .... Wenn diese Weisheit mit der Seele vereint wird, so ist ihr aller Zweifel und alle Irrung und alle Finsternis ganz und gar abgenommen, ...“

  „Jesus offenbart sich zudem mit einer unermeßlichen Süßigkeit und Fülle, die herausquillt aus des Heiligen Geistes Kraft und überquillt und einströmt mit überfließend reicher Fülle und Süßigkeit in alle empfänglichen Herzen ... Dann ist der äußere Mensch seinem inneren Menschen gehorsam bis zu seinem Tod und ist dann in stetem Frieden im Dienste Gottes allezeit.“ 26

 

Vernünfticheit ist der tempel gotes

   Diese öffentliche Predigt des Meisters spricht eigentlich schon alles aus. In allen seinen deutschen Predigten stammelt er „in großartiger Eintönigkeit“ dasselbe Bekenntnis. Doch hat jede der großen Predigten ihre Glanzlichter. Eines dieser Glanzlichter beleuchtet den Zusammenhang des Gottesbegriffes Meister Eckharts mit dem freien erkennenden Menschen, wie er sich in der Philosophie der Freiheit erkennt, so schön, daß es am Ende in der Sprache des Meisters dastehen soll. Ihre Härte und Schwere, aber auch Bildlichkeit werden in diesen Worten anschaulich erlebbar. Der Auszug stammt aus der Predigt „Quasi stella matutinis“. Es geht darum, wie wir Gott in seinem Wesen erfassen können. Gott ist eigentlich rein geistiges Selbsterkennen, sagt uns der Meister:

  „Als wir got nemen in dem wesene, sô nemen wir in in sînem vorbürge, wan wesen ist sîn vorbürge, dâ er inne wonet. Wâ ist er denne in sînem tempel, dâ er heilic inne schînet? Vernünfticheit ist der tempel gotes. Niergen wonet got eigenlicher dan in sînem tempel, in vernünfticheit, als der ander meister sprach, daz got ist ein vernünfticheit, diu dâ lebet in sîn aleines bekantnisse, in im selber aleine blîbende, da in nie niht engeruorte, wan er aleine dâ ist in sîner stilheit. Got in sîn selbes bekantnisse bekennet sich selben in im selben.“27

Für die, die es schwer haben mit seiner Sprache sei auch noch die Übersetzung beigegeben:

„Wenn wir Gott im Sein nehmen, so nehmen wir ihn in seinem Vorhof, denn das Sein ist sein

Vorhof, in dem er wohnt. Wo ist er denn aber in seinem Tempel, in dem er als heilig erglänzt? Vernunft ist der Tempel Gottes. Nirgends wohnt Gott eigentlicher als in seinem Tempel, in der Vernunft, wie jener andere Meister sagte: Gott sei eine Vernunft, die da lebt im Erkennen einzig ihrer selbst, nur in sich selbst verharrend dort, wo ihn nie etwas berührt hat; denn da ist er allein in seiner Stille. Gott erkennt im Erkennen seiner selbst sich selbst in sich selbst.“28

   Wie ein Vorglanz der Spiritualität des 20.Jahrhunderts erscheint uns Meister Eckharts tiefe Ergriffenheit von der Freiheit des göttlichen Menschen, der doch demütig genug ist, seine Freiheit Christus zu verdanken.28

   Wie ein Nachklang der ephesischen Geistesart andererseits sprechen uns seine Worte an. Man empfindet, wenn er redet, offenbart er durch sich das Weltenwort und fühlt sich gemahnt an das ephesische Mantram: „Mensch, rede und Du offenbarst durch Dich das Weltenwerden!“30

 

 

Nachweis der Zitate

1 Bulle Johannes XXII. In agro dominico. Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate. Zürich 1979. S.449.

2 Für die Biographie habe ich benutzt Gerhard Wehr. Meister Eckhart. Reinbek bei Hamburg.1989 und das ausführliche Vorwort von Joseph Quint in Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate. Zürich 1979.

3  Joseph Quint in: Meister Eckhart. Deutsche Predigten. S.16-17.

4  dito. S.16.

5 Bulle Johannes XXII. In agro dominico. Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate. Zürich 1979. S.449

6 dito.

7 dito. S.454.

8 dito. S.455.

9 Gerhard Wehr. Meister Eckhart. Reinbek bei Hamburg. 1989. S.36.

10 Näheres dazu in: Meister Eckhart. Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke. Hrsg.v.Joseph Quint. 1.Bd. Meister Eckharts Predigten. Stuttgart 1958.

11 Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate. Zürich 1979. Vorwort. S.21-22.

12 Meister Eckhart. Intravit Jesus in templum. In: Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate. Zürich 1979. S.153.

13 dito. S.153/4.

14 dito. S.154.

15 dito. S.154.

16 dito. S.154.

17 dito. S.156.

18 dito. S.156.

19 dito. S.156.

20 dito S.156/7.

21 dito. S.157.

22 dito. S.157.

23 dito. S.157.

24 dito. S.157.

25 dito. S.157/8.

26 dito S.158.

27 Meister Eckhart. Quasi stella matutina. In: Meister Eckharts Predigten. Hrsg.v. J. Quint. 1.Band. Stuttgart 1958. S.150. 

28 Meister Eckhart. Quasi stella matutina. In. Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. S.197.

29 Vgl. R.Steiner.Von Jesus zu Christus. Vortrag vom 14.10.1911. G.A.131. Dornach. 5.Aufl.1974. S.229.

30 Rudolf Steiner. 2.12.1923. In: Mysteriengestaltungen. G.A. 232. Dornach 1998, S.92. Vgl. auch R. Steiner. Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes. G.A. 233, Vortrag vom 27.12.1923. 1.Aufl. Dornach 1962, S.64-65.

Rolf Speckner. 'Vernünfticheit ist der tempel gotes...' Meister Eckart in Köln. Vortrag 2004 in Köln.
Nach einer Skizze des Lebens Meister Eckarts werden die zwei zentralen Sätze betrachtet, deretwegen Meister Eckart 1329 als Ketzer verurteilt wurde. Sie könnten in Steiners 'Philosophie der Freiheit' stehen. Am Beispiel von Eckarts Predigt 'Intravit Jesus in templum', die schrittweise erläutert wird, leuchtet dier Wahrheit seiner Rede vom Seelenfünklein auf.
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