Die drei Weisen aus dem Morgenland 970 - 1413

Mit dem Fuldaer Sakramentar und dem Egbert Codex begann eine neue Auffassung der 'Weisen aus dem Morgenlande'. Man sah sie nicht mehr als persische Magier, als Schüler des Zarathustra an, sondern als Könige.  Zunächst allerdings galten sie immer noch als Sternkundige. Das Jesuskind begrüßte nun nicht mehr die Weisen, die ihn erkannt hatten, sondern die Mächtigen, die ihn als ihren Oberherrn anerkannten. Möglicherweise wirft das ein Licht auf die Intention, die zu dieser Änderung geführt hat.

 

Die Jahrtausendwende wurde als ein sehr kritischer Punkt im Verlauf der Geschichte bange erwartet. Viele Menschen, vor allem unter den Christen, befürchteten ein apokalyptisches Weltende. Dieses Weltende sollte damit verbunden sein, so dachte man, dass der Christus in den Wolken wiederkommen werde um seine endzeitliche Herrschaft aufzurichten. Auch dieser Gedanke könnte eine Rolle gespielt haben.

Drei Könige. 980~ Egbert-Codex. Reichenauer Schule. Stadtbibliothek Trier
Drei Könige. 1015. Hildesheim. Bronzetür für die Michaelskirche. Heute im Dom. Von Bernward von Hildesheim.

Bemerkenswert ist, dass mitten in der ottonischen Zeit Bernward von Hildesheim neben einer Königsdarstellung an der Bernwardstür die Magier im ‚Kostbaren Evangeliar‘ mit weichen hohen Hüten statt Kronen hat darstellen lassen. Die Spitze dieser Hüte fällt allerdings nach hinten statt nach vorn wie bei den persischen Magiern sonst üblich. Wie an seinen vielen innovativen Werken zeigt sich auch an diesem einzigartigen Detail, dass Bischof Bernward Zugang zu esoterischen Quellen gehabt haben muss. An der allen zugänglichen, für alle sichtbaren Bronzetür des Michaelsklosters lässt Bernward die Weisen als Könige darstellen. In dem nur den die Messe lesenden Priestern zugänglichen Evangeliar (Abb. unten) werden die Könige als persische Weise gekennzeichnet, wenn sie auch Ritualgewänder tragen.

Alle drei blicken aber nach oben zum Himmel hinauf, wo aus einer halbrunden Sphäre, in deren Mitte ein Stern von drei Engeln umgeben wird, etwas in Strahlen herabströmt auf das Kind. Maria und Joseph sind nicht zu sehen: nur die drei persischen Weisen oder Könige.

Drei Könige. 1000-15. 'Kostbares Evangeliar' oder 'Bernward-Evangeliar'. 28x20cm. Hildesheim, Domschatz Nr.18, fol.18r.

Die ottonischen Darstellungen der sog. Reichenauer Schule zeichnen sich durch eine große Ruhe der Darstellung aus. Alles Beiwerk ist weggelassen. Nur Erinnerungszeichen an Ort und Zeit sind geblieben. Die Gesten der Personen sind von tiefer Beseelung erfüllt. Auffallend sind die großen

Hände. Sie entsprechen nicht dem klassischen Schönheitsideal. Ihre Größe macht aber deutlich, dass es den Künstlern auf die Seelengesten, auf die Aussagen ankam. Nicht der natürliche Leib steht im Vordergrund des Interesses, sondern, was die in ihm wohnende Seele erlebt.

Der Stern ist schon auf den frühesten Darstellungen  aus dem vierten Jahrhundert vorhanden. Wäre der Stern nicht vorhanden, auf den auch immer eine der Gestalten hinweist, würde man manche der frühen Darstellungen vielleicht nicht einmal als solche der Magier oder sogenannten ‚Heiligen Drei Könige‘ ansehen. Im Laufe der Zeit rückt der Stern immer mehr aus dem Blickpunkt des Interesses. Die erste Darstellung ohne Stern ist aus dem 10. Jahrhundert. Auch hier spielt anscheinend das Epochenjahr 1000 eine Rolle . Als Könige sind die persischen Magier nämlich an der Krone zu erkennen. Der Stern verliert seinen Wiedererkennungswert. Ja, in dem Maße wie die Sternkunde und die Astrologie in Verruf geraten, wird er sogar kompromittierend. Nach 1500 findet man so gut wie gar keine Darstellungen des Sterns mehr.

Drei Könige. 970~ Sakramentar aus Fulda. Göttingen, Universitätsbibliothek
Drei Könige. 1020~ Sog. Sacramentarium Hadrianum. Fulda. Cod.Vat.lat. 3548. fol. 14r
Drei Könige. 1022-1036. Mindener Sakramentar. Berlin, Deutsche Staatsbibliothek. Ms.theol.lat.fol.2.

Wenn auch schon auf den römischen Sarkophagen eine Szene der wandernden Könige zu finden war, treten doch erst gegen 1100 solche einzelnen zusätzlichen Szenen vermehrt auf. Die Könige werden nicht nur während der Verehrung des Kindes, sondern auch auf der Anreise, vor Herodes und während der Rückreise dargestellt. Dabei wird durch die Darstellung der Seefahrt der Könige besonders hervor gehoben, dass sie einen anderen Rückweg gewählt haben. Auch wird der Augenblick abgebildet, in dem der Engel zu ihnen kommt und Ihnen den Rat gibt auf einem anderen Wege zurückzukehren.

Drei Könige. 1120-40. Die Anbetung. Kathedrale Saint-Lazaire. Kapitell 1.

Die Kapitelplastik aus Autun (Abb.10) ist das früheste uns bekannt gewordene Beispiel dieses Bildtypus. Es mögen aber andere vorauf gegangen sein, da die Bildhauer häufig nach gezeichneten Vorlagen arbeiten. Das Speyrer Evangeliar, um 1200 entstanden, enthält beide zuletzt erwähnten Szenen (Abb.11). Während die Kapitelplastik von Autun übrigens noch den Stern zeigt, ist er im Speyrer Evangeliar nicht mehr zu sehen.

   Aus späterer Zeit sind umfangreichere Bildfolgen erhalten. So sieht man zum Beispiel auf zwei aufeinander folgenden Seiten des bulgarischen Evangeliars des Zaren Ivan Alexander von 1355 zunächst auf Blatt 9 ihre Begegnung mit Herodes (unten) und die Befragung der Schriftgelehrten durch den König (Abb.13), dann auf dem folgenden Blatt ihre Ankunft

bei der Geburtshöhle sowie ihre Abreise (Abb.12).

Tetraevangeliar des Zaren Ivan Alexandar. Vom Mönch Symeon. 1355. London. British Museum. fol.10. unten

Diese Art der Darstellung findet ihren Gipfel in den großen Altären des

14. Jahrhunderts sowie in den Tafelgemälden z.B. eines Hans Memling im 15.  Jahrhundert in München und Lübeck.

   Als Beispiel mag der Altar des Meisters Bertram, früher in St.Petri, heute in der Hamburger Kunsthalle, dienen. Er entstand ca. 1380-83. Es ist ein sogenannter Klappaltar, der also nicht nur eine sondern mehrere Schau-seiten aufweist. Ganz geöffnet zeigte er im Mittelpunkt wohl Maria, rings herum die Apostel und Heilige. in der mittleren Stellung waren 24 gemalte Bildtafeln in zwei Reihen zu sehen. Die zwölf in der oberen Reihe zeigten die Schöpfung der Welt und des Menschen bis zum Sündenfall und der „Vertreibung aus dem Paradies“, die zwölf darunter gesetzten zeigen den Weg des althebräischen Volkes bis zur Geburt des Erlösers und seiner „Vertreibung nach Ägypten“. Man kann bei eingehender Betrachtung entdecken, dass zwischen den oberen und unteren Bildern eine Beziehung besteht. Über dem 9.Bild der unteren Reihe, der Darstellung der anbetenden Heiligen drei Könige, steht in der oberen Reihe die Versuchung durch die Schlange, die den Menschen ihre Weisheit anbietet: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist!“. Während oben die Aneignung des Wissens, die dann zur Vertreibung geführt hat, gezeigt wird, sieht man darunter, wie drei „Wissende“ ihr Wissen unter die Herrschaft der Unschulds- und Liebeskräfte des Christus stellen.

Drei Könige. 1379-1383 Hauptaltar der Petrikirche in Hamburg. Von Meister Bertram. Hamburger Kunsthalle.

Sind bei Meister Bertram die Szenen einzeln und gleich groß gemalt, so fasst der Brügger Maler Hans Memling (ca.1435-1494) hundert Jahre später das ganze Geschehen in ein Bild zusammen. Auf Tafelbildern wie der Kreuzigung von Memling im Lübecker St. Annen-Museum gibt er 1491 eine Art von Lebensrückschau des Christus. In der Mitte wird ein Zentralgeschehen, im Idealfall das Ereignis des Todes Christi, dargestellt. Links davon sind alle Ereignisse zu sehen, die zu diesem Zeitpunkt hingeführt haben, darunter weit in der Ferne die Geburt, etwas näher die Taufe, einige der Wunder, schließlich das Abendmahl, die Gefangennahme, das Verhör und die Kreuztragung. Auf der rechten Seite der Kreuzigung sieht man die künftigen Ereignisse, wie die Grablegung, die Auferstehung, die Begnung mit den Jüngern, Pfingsten und Himmelfahrt. Weit in der Ferne erscheint der Regenbogen, von dem aus der thronende Christus  Gericht hält. Der Betrachter wird – ob bewußt oder unbewußt – durch eine solche Darstellung in den Augenblick der Lebensrückschau Christi unmittelbar nach dem Tode auf Golgatha versetzt. Die Kunstgeschichte deutet diese Darstellungsweise als „narrativ“, das heißt erzählend. Der Weg der Kunst sei "from icon to narrative" gegangen. Man stellt sich vor, dass den des Lesens und Schreibens Unkundigen mittelalterlichen Bürgern und Bauern anhand solcher Bilder die Geschichte erzählt worden wäre. Da die Messe vor der Reformation Luthers fast ausschließlich in Lateinischer Sprache gelesen wurde, verstanden die Kirchenbesucher oft herzlich wenig von dem Geschehen. Insofern sind solche Erläuterungen denkbar; ob dies aber der Zweck dieser Tafeln war, darf bezweifelt werden. Ähnlich malt Memling „Die sieben Freuden Mariä“. Darin zeigt er die Heiligen Drei Könige ankommend, verehrend und abreisend. Im rechts gezeigten Ausschnitt des Bildes in der Münchner Alten Pinakothek sieht man nur die

Abreise der Könige.

Die sieben Freuden Marias. Hans Memling.

Während Memling eine belebte Landschaft im Hintergrund zeigt, war der Bildhintergrund bei Meister Bertram noch als Goldgrund durchgeführt. Zwischen 1380 und 1480 verschwindet der Goldgrund aus der Malerei. Man kann den Zeitpunkt noch genauer bestimmen. Er liegt nahe bei dem Jahr 1413. Dies Jahr bezeichnet Rudolf Steiner als den Zeitpunkt, der das Ende der vierten, auch griechisch-römisch genannten, Kulturepoche bezeichnet und den Anfang der fünften, in der die germanisch- angelsächsischen Völker eine kulturelle, politische und wirtschaftliche Dominanz ausüben. Besonders deutlich wird dieser Wechsel in den zum Kultus gehörigen Handschriften und bei den privaten Bedürfnissen dienenden „Stunden-büchern". Ich setze vier Beispiele hierher, die den Schritt belegen.

Drei Könige. 1400~ Aus einem Missale der Stiftskirche St.Blasii zu Braunschweig. Nieders. Staatsarchiv Wolfenbüttel.

In derselben Zeit verändern sich auch in auffallender Weise die Haltung und Bekleidung des Kindes. Der Jesusknabe war bisher deutlich größer als ein neugeborenes Kind gezeigt worden. Der Habitus des Knaben hatte etwas Erwachsenes und er war bekleidet dargestellt worden (Abb.20-26). Etwa seit 1400-1410 wirkt das Kind kleiner und kindlicher, und ist nackt. (Abb. 22,27-30).

Ausnahmslos sitzt oder steht das Kind auf Marias Schoß und blickt die Könige an. Es streckt fast immer einen Arm aus. Manchmal scheint es grüßen, manchmal segnen zu wollen. In anderen Fällen mag die Geste auf den Empfang der Gaben zielen.

Drei Könige. 1400~ Gotischer Flügelaltar. Kölner Malerschule. Kirchsahr, Dorfkirche.
Drei Könige. 1424-1436. Meister Francke. Thomas Altar. Hamburger Kunsthalle.

Neben der Epochenschwelle um 1000, an der aus uns bislang nicht bekannt gewordenen Gründen die Magier zu Königen wurden, können wir demnach eine zweite beobachten, die zwischen 1400 und 1420, approximativ bei 1413 liegt. An dieser Schwelle wird der Himmelsherrscher zum Erdenkind – und damit verwandelt sich auch die Goldglanz-Umgebung in eine Erdenlandschaft.   

Drei Könige. 976-1026. Menologion des Kaisers Basileios II., aus Konstantinopel. 28,4x36,4cm. Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat.gr.1613.

Die erste Darstellung ohne Stern, die uns bekannt geworden ist, ist aus dem 10. Jhdt. Auch ein Fuldaer Sakramentar von 970 enthält eine Illustration des Königsbesuchs ohne Stern. In einer byzantinischen Miniatur des 11.Jahrhunderts führt die drei Könige, die schon Kronen tragen, ein Engel statt des Sterns. Seit etwa 1200 tritt die Bedeutung des Sterns zurück. Oft weist noch einer der Könige mit der Hand an den Himmel, aber da ist kein Stern mehr. Nach 1500 findet man fast keine Darstellungen des Sterns mehr. Erst in der Kunst der Gegenreformation tritt er wieder auf, aber nun als symbolische Darstellung.

Botticelli

Auch die großen namhaften Meister sind sich nicht einig, ob die drei Könige aus drei Erdteilen kommen oder nicht. Botticelli gibt keinen Hinweis darauf, Dürer aber schon.   

Dürer
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© Rolf Speckner