Helena Blavatski in Deutschland.
Vortrag von Rolf Speckner in Dornach am 11.2.2012
Helena Blavatskys Aufenthalte in Deutschland, ihre Beziehung zur mitteleuropäischen Kultur, Wissenschaft und Sprache, sowie vor allem zur mitteleuropäischen Theosophie, d.h. zu dem, was vor der Gründung der Theosophischen Gesellschaft als solche benannt worden ist, bleiben aus den Darstellungen der vorwiegend angelsächsischen Literatur zu H.P.B. weitgehend ausgeblendet.
Das Bild ihres Lebens, das sich im Laufe der Zeit durch immer weitere Einzelheiten deutlicher ausgestaltet hat, bleibt trotzdem bislang wie eine Karte mit großen Flecken. Helenas Biografen sprechen von den dunklen Zeiten in ihrem Leben. So ist es vielleicht berechtigt ihr Leben auch symptomatisch zu betrachten, da eine vollständige Erzählung in Form eines Entwicklungsromans nach wie vor kaum möglich ist.
Bei der Darstellung ihres Lebens folge ich in den groben Linien dem Standardwerk von Sylvia Cranston und Carey Williams.[i] Im Einzelnen kann dieses Werk von vielen Schriftstellern ergänzt werden, insbesondere durch Mary K. Neff sowie durch eine Sammlung von Schülererinnerungen[ii]. In Hinsicht auf die Ereignisse in Deutschland in den Jahren 1884-87 gibt es keine zusammenfassende Darstellung. Dies ist umso erstaunlicher als die Secret Doctrine in diesen Jahren in Würzburg, Elberfeld und Ostende entstanden ist. Wie viel ist nicht über die Entstehung der entschleierten Isis in New York geschrieben worden! Doch gibt der Nachlass Wilhelm Hübbe Schleidens in der Universitätsbibliothek Göttingen, den ich in den letzten Jahren näher kennen lernen durfte, über viele Fragen Auskünfte.[iii] Ich erwarte weitere bedeutende Zeugnisse im Nachlass des Malers und Spiritisten Gabriel von Max, der im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt wird.[iv]
Die Betrachtung soll in drei Schritten erfolgen. Zuerst möchte ich eine sehr frühe aber grundlegende Begegnung Helenas mit dem mitteleuropäisch-rosenkreuzerischen Geist beschreiben. Danach werde ich ein Ereignis schildern, das sich Ende der Sechziger Jahre in der Donaumonarchie abgespielt hat und das eine Fortsetzung im April/Mai 1873 fand, direkt bevor H.P.B. in die Vereinigten Staaten übersiedelte. Es zeigt, wie Helena auch in die politische Geschichte Mitteleuropas verwoben war. Und schließlich möchte ich auf die Ereignisse von 1884 bis 87 zu sprechen kommen, die Jahre, in denen die erste theosophische Sozietät in Deutschland gegründet wurde, die im Verfolg des Coulomb-Skandals 1886 wieder aufgegeben werden musste.
Über die Jugend Helenas sind sich die Biografen recht einig. Nur über deren Bewertung nicht. Sicher ist, dass die ‚Russin‘ Helena Petrovna Blavatzky, 1831 in Dnjepropetrovsk als Tochter des deutschstämmigen Obersten in russischen Diensten Peter von Hahn und der russischen Dichterin und Frauenrechtlerin Helena Andrejevna, geb. Fadejef[v], geboren wird und weil die Ehe ihrer Eltern unglücklich verlief, ganz unter dem Einfluss der Mutter sowie nach deren frühem Tod im Juni 1842 unter dem ihres Großvaters, des Geheimen Staatsrates Andrei Mikhailovich Fadejef und dem der Prinzessin Helena Paulowna Dolgorouky lebte. Darin könnte auch die Ursache dafür zu suchen sein, dass Helena trotz verschiedenster Bemühungen ihres Vaters, die deutsche Sprache nie richtig sprechen gelernt hat.
Nacheinander lebte sie in Odessa, Astrachan, Saratov und Tiflis. Ihr Großvater war noch zu Lebzeiten der Mutter im südlichen Wolgagebiet als Gouverneur für die Belange der etwa 100.000 buddhistischen Kalmücken zuständig, die eine weite steppenartige Landschaft westlich der Wolga und ein noch weiteres Grasland östlich des Flusses nomadisierend bewohnten. Der Hauptsitz ihres Chanats war Astrachan im Mündungsdelta der Wolga in das Kaspische Meer. Da die Kalmücken – und zwar vor allem deren geistig und sozial führende Häupter – im Hause ihres Großvaters von morgens bis abends ein und aus gingen, hörte sie manches, was gesprochen wurde, hatte auch wohl viele Gelegenheiten zu Gesprächen, und so war sie von Kindesbeinen an mit dem Lamaismus vertraut.
Der damalige Chan Tumen war schon in einem Lebensalter, in dem man die Ruhe zu lieben beginnt, war aber mit dem russischen Zaren 1812/13 im Kampf gegen Napoleon mit einem Kontingent bis nach Paris gezogen und erzählte Besuchern gerne davon.
Als die Mutter starb, schickte ihr Vater die nunmehr Elfjährige dauerhaft zu den Großeltern Andrej Fadejef und Prinzessin Helena Dolgorouky nach Saratov, das im Zentrum des deutschen Siedlungsgebietes an der Wolga lag. Fünf Jahre lebte sie in dem geräumigen Hause, in dem ihr Großvater, inzwischen Gouverneur des Distrikts Saratov, wohnte. Hier hatte es Andrey Fadejef besonders mit den deutschen Aussiedlern zu tun. Von den 1,7 Millionen Einwohnern des Gouvernements waren 500-600.000 deutscher Abstammung. Katharina die Große – aus dem Hause Oldenburg - hatte sich sehr um die Ansiedlung deutschsprachiger Siedler an den Ufern der Wolga bemüht. Diese Siedlungen bestanden damals kaum 80 Jahre und die deutsche Kultur war unter den Siedlern noch ganz lebendig. Es gab in Saratov ein evangelisches Konsistorium und eine Pastoren-Ausbildung! Die Stadt Sarepta, in der es übrigens auch einen buddhistischen Tempel gab, war z.B. von ‚Mährischen Brüdern‘ gegründet worden, die der Stadt noch immer das Gepräge gaben. Trotz dieses bedeutenden deutschen Einflusses während ihres Aufenthaltes in Saratov und trotz aller Bemühungen des Vaters lernte Helena zwar Französisch und Englisch, aber nicht Deutsch. Der Einfluss der deutschen Kultur auf sie blieb denkbar gering. An der Tatsache, dass Helena Blavatsky von den zwei gleich umfänglich auf sie einwirkenden Kultureinflüssen den ihr äußerlich ferner liegenden viel mehr verinnerlichte als den anderen, zeigt sich meines Erachtens, dass sie eine karmische Voraussetzung für das Verständnis des Buddhismus mitgebracht hat.
Im Hause ihres verstorbenen russischen Urgroßvaters Pavel Dolgorouki, das über dessen Tochter in den Besitz von Helenas Großvaters Fadejef übergegangen war, fand sie allerdings eine weitgehend deutschsprachige Bibliothek okkulter Literatur vor, darunter höchstwahrscheinlich auch die ‚Geheimen Figuren der Rosenkreuzer‘. Diese Bibliothek war am Ende des 18. Jahrhunderts zusammengetragen worden. Damals hatte Katharina, nachdem sie den Thron durch einen Putsch bestiegen hatte, eine Zeit lang das Druck- und Pressewesen freigegeben. Einer ihrer Vertrauten, Novikoff hatte einen Verlag gegründet, der westliche okkulte Literatur, insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum, in neuen Ausgaben veröffentlichte, teils in deutscher, teils in französischer, teils in russischer Sprache. Novikoff gehörte einer Petersburger Freimaurerloge an, die mit der deutschen ‚Strikten Observanz‘ verbunden war.[vi] Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution, die den Tod des Königspaars zur Folge hatte, sowie der zeitnahen Ermordung des schwedischen Königs – ebenfalls aus dem Hause Oldenburg – erwachte Katharinas Verdacht gegenüber der Freimaurerei, an der sie als Frau ja nicht teilhaben konnte. Beide Ereignisse wurden damals mit dem Wirken von Geheimgesellschaften in Verbindung gebracht. Das führte zum Verbot der Freimaurerei in Russland und zur Einkerkerung der führenden Häupter dieser Strömung. Merkwürdiger Weise entging der Fürst Pavel Dolgoroucki, Helenas Urgroßvater, der zum freimaurerisch-rosenkreuzerischen Kreis um Novikoff zählte, der Verfolgung und seine Bibliothek blieb erhalten. Pavel Dolgoroucki starb 1838. Als Helena 1842 mit elf Jahren in sein Haus kam, wartete die Bibliothek gewissermaßen auf sie, denn niemand sonst interessierte sich dafür.
Schon aus diesem frühen Alter sind übersinnliche Erfahrungen des jungen Mädchens bezeugt, die sie an Hand und mit Hilfe dieser Literatur, bzw. der darin auffindbaren Zeichen und Symbole erweiterte. Ihre Schwester berichtete, dass Helena z.B. von einem Buch über die Weisheit Salomonis fasziniert war und die darin gegebenen magischen Anleitungen erfolgreich ausprobierte, indem sie sich z.B. die Tauben eines Taubenschlags unter dem Dach gefügig machte. Aus der Tempellegende ist ja bekannt, dass auch Salomo die Tierwelt gehorchte.[vii]
Diese beiden starken Kindheitseinflüsse, der dem tibetischen Buddhismus verbundene Lamaismus der Kalmücken und der Okkultismus der Rosenkreuzer, sollten ihr Leben bestimmen. Aus der Sicht eines Mannes – der sich seinerzeit Mahatma K.H. nannte - war deren Zusammenhang so zu sehen:
„Eliphas Levi studierte die rosenkreuzerischen Handschriften (Von denen jetzt nur noch drei in Europa vorhanden sind.) Diese legen unsere östlichen Lehren aus gemäß dem Unterricht von Rosenkreuz, der sie, nach seiner Rückkehr aus Asien, in ein halbchristliches Gewand kleidete, das seinen Schülern als Schutz gegen kirchliche Nachstellungen dienen sollte. Man muss den Schlüssel dazu haben, und dieser Schlüssel ist schon eine Wissenschaft ‚per se‘. Rosencreuz lehrte von Mund zu Ohr. Saint Germain legte die ‘Gute Lehre’ [des Ostens] in Figuren nieder, und seine chiffrierte Handschrift blieb bei seinem treuen Freund und Gönner, dem gütigen deutschen Prinzen, aus dessen Haus und in dessen Gegenwart er seine letzte Fahrt antrat – nach Hause.”[viii]
Helena Blavatzky scheint diese Sicht geteilt zu haben, denn als sie Ende 1878 von Amerika aus nach Indien aufbrach, sprach sie davon, dass sie die „östlichen Rosenkreuzer“ suchen wollte. Der zentrale Gedanke dieser Aussage, dass nämlich das Geheimwissen des Ostens und des Westens eines und dasselbe sei, ist zweifellos wahr. Die Beschreibung der menschlichen Natur aus geistiger Sicht, die Beschreibung der Stufen und Wesenheiten der geistigen Welt können sich für die Schauenden in Ost und West nur wenig unterscheiden. Und dass ‚Rosencreuz‘ die östlichen Lehren nach Europa brachte entspricht auch der in der Fama Fraternitatis überlieferten Biografie Christian Rosenkreutz. Dass Christian Rosenkreutz aber die östlichen Lehren nur „in ein halbchristliches Gewand“ gehüllt hätte, um den Eifer christlicher Nichtokkultisten zu besänftigen, halte ich für fragwürdig. Meines Erachtens ist durch die Initiation des Christian Rosenkreutz im Jahre 1248 ein Wissen zur ‚Guten Lehre‘ des Ostens hinzugekommen, das nicht nur als Gewand angesehen werden sollte. Denn es betrifft - menschenkundlich gesprochen - die höheren Wesensglieder des Menschen Manas, Budhi und Atman, die durch die Verbindung mit Christus ihre Zukunftsfähigkeit erlangen. Die Möglichkeit der Verbindung des freien Menschenwesens mit den Auferstehungskräften ist m.E. nicht in den Weisheitslehren des Ostens enthalten.
Genau darauf scheint mir Rudolf Steiner auch hinzudeuten, wenn er sagt, dass es an der Zeit sei, dass ein Strom, der seit dem 13.Jahrhundert aus okkulten Quellen geflossen sei, zu denen Helena Blavatzky keinen Zugang hatte, der theosophischen Bewegung einverleibt würde.[ix]
Es liegt ganz in der Richtung dieser Einschätzung des „christlichen Gewandes“, dass der Name des Christian Rosenkreutz im Brief K.H.‘s nur als Rosencreuz wiedergegeben wird. Gerade „Christian“ fehlt. Und im Nachnamen fehlt das t, das in der Druckschrift doch zugleich das Signum des Kreuzes ist. Dem Wort Kreutz ist das Zeichen des Kreuzes genommen. Wenn man daran denkt, welch großen Wert K.H. und M. darauf legen, dass ihr Name nur in Abkürzung erscheint, dann wird das Symptomatische dieser kleinen Tatsache deutlich. Sie wollten nicht genannt werden, weil jedes Nennen des Namens bereits ein Anrufen ist – durchaus auch im magischen Sinne. Was bedeutet das Ausblenden des christlichen Vornamens Christian und des Kreuzzeichens vor diesem Hintergrund?
Jedenfalls veranlagte die frühe Begegnung mit dem buddhistischen Okkultismus und der mitteleuropäisch
rosenkreutzerischen Esoterik in Helena Blavatzky die spätere Symbiose der ‚westlichen‘ und ‚östlichen‘ Lehren, die ihren Niederschlag z.B. in den zwei Bänden der „Isis entschleiert“ fand, deren erster Band stark von Christian Rosenkreutz inspiriert war, während der zweite eher östliche Quellen hatte.[x] Dabei ist es nicht unwichtig, dass Helena mehrfach betont, sie habe die Lehren des Lamaismus und die der Rosenkreuzer schon aufgenommen bevor sie 15 Jahre alt war, das heißt doch vor der Pubertät:
“Ich war recht vertraut mit dem Lamaismus der tibetischen Buddhisten. Ich verbrachte Monate und Jahre meiner Kindheit unter den lamaistischen Kalmücken von Astrachan und mit ihrem Großpriester. ... Ich hatte Semipalatinsk und das Uralgebirge mit einem Onkel besucht, der in Sibirien Besitzungen im Grenzgebiet der mongolischen Länder besaß, wo der Terachan Lama residiert; auch machte ich zahllose Ausflüge über die Grenzen, und wusste über die Lamas und die Tibeter alles bevor ich fünfzehn Jahre alt war.“[xi]
„Er [Dolgoroucky] besaß eine seltsame Bibliothek, die hunderte von Büchern über Alchemie, Magie und andere okkulte Wissenschaften enthielt. Ich hatte sie mit dem aufmerksamsten Interesse gelesen, bevor ich fünfzehn Jahre alt wurde.“[xii]
Sie hat diese Lehren demnach ohne Einwirken der persönlichen Empfindungsseele aufgenommen, d.h. mit Hilfe des ätherischen Leibes und des Empfindungsleibes. Was sie an den Begegnungen erlebte, prägte sich ihrer Leiblichkeit ein, ohne dass ihre persönlichen Gemütsregungen eine große Rolle spielten.
Der in dem Brief genannte Prinz, in dessen Haus Saint Germain gestorben ist, war Prinz Karl von Hessen (1744-1836), der dem großen Eingeweihten eine letzte Wirkungsstätte in Eckernförde zur Verfügung gestellt hat. Auch hier fällt auf, dass sein Name vermieden wird. Karl von Hessen darf als ein maßgeblicher Repräsentant der Michaelschule in der Zeit um 1800 angesehen werden, dem Saint Germain anvertraut hatte, dass er zur Zeit des Mysteriums von Golgatha inkarniert war[xiii] und dass er mit Johannes dem Evangelisten identisch sei.[xiv] Tatsächlich war damals in den von Karl von Hessen 1782 neu eingerichteten Hochgraden die Reinkarnationslehre zentraler Inhalt, wie er dem Bruder Lavaters schriftlich andeutete: „Was die Rotation betrifft, die eigentlich der Schlüssel ist, der alles begreiflich macht, …“ antwortete er ihm auf die Frage nach den Inhalten der Hochgrade und nach der Rotationslehre.[xv]
Nicht zutreffend ist die Aussage, dass Prinz Karl bei Saint Germains Tod anwesend war. Das geht sowohl aus Karls Selbstbiografie[xvi] hervor wie auch aus den amtlichen Papieren, die mit dem Ordnen des Nachlasses Saint-Germains zu tun haben.[xvii] In diesen wird berichtet, dass Karl zum Zeitpunkt des Todes Saint-Germains in Hanau weilte. Er ist erst acht Monate nach Saint-Germains Tod nach Eckernförde gekommen. Bis dahin waren die Räume des Grafen auf Karls Befehl hin versiegelt geblieben. Karl hat in Anwesenheit von Zeugen die Papiere des Grafen durchgesehen und Briefe und andere ihm wichtig erscheinende Dokumente an sich genommen. Man kann konstatieren, dass sich der Meister K.H. mit seiner Behauptung offensichtlich nicht auf eine Erzählung Saint-Germains, den er doch eigentlich gut kennen müsste, berufen kann. Kann man daraus etwas über diesen „K.H.“ erkennen?
1849 heiratete Helena in Tiflis Nikifor Blavatsky, einen alternden Beamten. Damit endete ihre Jugend abrupt. Auf Grund ihrer frühen okkulten Begabung und starken Persönlichkeit brach die 18jährige jedoch nach kurzer Zeit aus der eben geschlossenen Ehe aus, noch bevor es – wie sie betont - zu einer geschlechtlichen Vereinigung gekommen war, und lief davon, um in der Welt der Oper und des Schauspiels ihr Glück zu suchen. Als Freundin oder Geliebte des ….. habe sie zwei Jahre lang den Schwarzmeer-Raum, dann den östlichen Mittelmeerraum (Türkei, Griechenland, Ägypten) und schließlich Frankreich bereist. Dem russischen Fürsten Dondukow-Korsakow antwortete sie in den 80er Jahren auf die Frage, was sie zu diesen Reisen getrieben habe, sie sei auf der Suche nach dem Unbekannten gewesen. Interessanterweise bedient sie sich in diesem recht späten Brief der Bilder aus den Rosenkreuzerschriften: „Wenn ich beginnen würde, Ihnen von Alchemie, von der Verbindung oder ‚Hochzeit der roten Jungfrau‘ mit dem ‚astralen Mineral‘ zu erzählen, von dem Stein des Weisen (der Vereinigung von Seele und Geist), würden Sie mich dann zum Teufel jagen?“[xviii] Im Weiteren erzählt sie dann ausführlich von der Bibliothek und erwähnt dabei, dass sie die Bücher von Paracelsus, Heinrich Kunrath und Agrippa studiert habe. Hatte sie Erfolg? „In Athen, in Ägypten, am Euphrat, überall suchte ich meinen [Stein des Weisen] … Ich habe unter den wirbelnden Derwischen, unter den Drusen auf dem Libanon, den arabischen Beduinen und den Marabuts in Damaskus gelebt. Nirgends habe ich ihn gefunden! Ich habe Nekromantie und Astrologie gelernt, Wahrsagerei und Spiritismus – von der ‚roten Jungfrau‘ nirgends eine Spur.“[xix]
1850 oder 51 begegnete sie auf einer Reise in London einem schlanken, hochgewachsenen Inder, in dem sie einen Mann erkennen konnte, von dem sie schon in Kindheitstagen an der Wolga geträumt hatte und der ihr Meister werden sollte. Sie war möglicherweise nach England gekommen, um sich musikalisch weiterzubilden[xx], der Inder war im Gefolge des nepalesischen Premierministers Jung Bahadur zur Weltausstellung nach London gekommen.[xxi] In ihrem Tagebuch hat sie eine Notiz gemacht, die von vielen als die eigentlich Begegnung mit ihrem Meister in England aufgefasst wird: „Denkwürdige Nacht. Eine klare Nacht, durch das Licht des Mondes, der in Ramsgate unterging. Ramsgate 12. August 1851 – wo ich dem Meister meiner Träume begegnete. 12. August – das ist nach der russischen Zeitrechnung der 31.Juli, der Tag meiner Geburt. Zwanzig Jahre!“ Aufgrund der schwierigen Reisebedingungen nach Ramsgate meint Jean Overton Fuller, dass das Treffen nicht dort stattgefunden haben könne, und dass H.P.B. mit dieser Bemerkung bewusst eine falsche Fährte ausgelegt habe.[xxii]
Wann H.P.B.‘s Meister ihr seine Absichten mit ihr anvertraut hat, bleibt weiter umstritten, wahrscheinlich im Sommer „der ersten nepalesischen Gesandtschaft“ 1850 oder ein Jahr später. Jedenfalls fordert er sie auf, zu ihnen nach Indien zu kommen, sobald sie die Erlaubnis ihres Vaters dazu habe, damit sie eine östliche Schulung erhalten könne. Kurze Zeit später, wohl im Laufe des Jahres 1851 rettete der Meister sie vor einem Selbstmord auf der London Bridge, wobei er ihr versprach, er werde ihr den ‚Stein‘ und die ‚rote Jungfrau‘ zeigen.[xxiii] Bis zur Begegnung mit ihrem späteren Meister verwandte also Helena Blavatsky die rosenkreuzerischen Bilder, um sich ihr Streben selbst verständlich zu machen. Jedenfalls bereist sie nun 1852 ganz Nord- und Südamerika. Von Südamerika aus soll sie über Südafrika und Ceylon nach Nordindien gelangt sein. Ihr erster Versuch 1853 nach Tibet einzudringen, soll gescheitert sein. Über die weiteren Zwischenaufenthalte in Russland, ihre Versöhnung mit ihrem Mann und ihrer Familie, ihre weiteren Reisen werden wir vielleicht noch von anderer Seite hören. Ich springe jetzt in das Jahr 1867.
Helena Blavatzky und der Serbisch-Österreichische Konflikt.
Auf das nun folgende Geschehen im Leben Helena Blavatskys wurde ich aufmerksam durch Erzählungen Friedrich Ecksteins, welche ein Freund seiner jungen Jahre aufgeschrieben und in Romanform veröffentlicht hat.[xxiv] Ludwig Hevesi heißt der Schriftsteller, dem Eckstein offensichtlich sehr viel aus seinem Leben erzählt hat. Er nennt Friedrich Eckstein mit dem Spitznamen MacEck, den auch Rudolf Steiner in den Achziger Jahren häufiger benutzt hat. In dem Buch berichtet Hevesi auch von dem Besuch Friedrich Ecksteins bei Helena Blavatsky in Ostende im Jahre 1887, der zwischen dem 25.Januar und dem 5.Februar stattgefunden haben dürfte. Die Schilderung dieser Episode ist ungeheuer farbig, als spräche ein orientalischer Märchenerzähler. Einige Einzelheiten der Erzählung sind so, dass der Schriftsteller sie nur von H.P.B. oder von Friedrich Eckstein gehört haben kann. Das lässt mich dem Erzähler ein vorsichtiges Vertrauen entgegen bringen.
Gleich zu Beginn fragt Helena Blavatsky Eckstein auf Englisch: „Wollen Sie mit mir französisch, englisch, italienisch, russisch oder sonstwas sprechen? Nur deutsch kann ich nicht, vom Deutschen weiß ich nur ein Wort, das heißt : Schweinerei.“ [xxv]
Hevesi lässt seinen Protagonisten, d.h. Friedrich Eckstein, die Geschichte selbst erzählen. Helena Blavatsky fixierte ihn „mit seltsamer Schärfe. Dann sagte sie: ‚Ich habe Sie schon einmal gesehen, und zwar in Wien.‘ Ich war nicht wenig überrascht. ‚Ja wohl, aber Sie waren damals noch sehr jung; es war bei der Weltausstellung 1873.‘ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Jedenfalls waren wir bald im tiefsten Gespräch.“ [xxvi] Das Ergebnis dieses tiefsten Gesprächs war, dass Helena Blavatsky ihm eine Charter für die Einrichtung einer Loge in Wien überreichte sowie ein goldenes Rosenkreuz um den Hals hängte.
Friedrich Eckstein ist 10 Tage vor Rudolf Steiner geboren, am 17.Februar 1861. Er war also 1873 gerade 12 Jahre alt. Diesen zwölfjährigen Knaben soll Helena Blavatsky 1873 gesehen haben und soll sich 14 Jahre später noch an dessen Gesicht haben erinnern können und es in dem Gesicht des Mannes von 26 Jahren wiedererkannt haben? Ich hatte Zweifel an dieser Schilderung. MacEck war offenbar ebenso sprachlos und konnte sich seinerseits nicht erinnern.
Die Weltausstellung in Wien fand vom 1. Mai bis 2.November 1873 statt. Über die Zeit von Juli 1872 bis Juni 1873 erfahren wir von Silvia Cranston und Carey Williams fast nichts. Am Ende dieser Zeit, im Juni 1873 hält sich Helena Blavatsky in Paris bei ihrem Vetter Nikolai von Hahn auf bis sie von ihrem Meister den Auftrag erhält, sofort nach Amerika zu reisen, um dort eine spirituelle Gesellschaft zu begründen. Nach dem Bericht der Ärztin Dr. Marquette führte sie in Paris ein unauffälliges Leben: „Sie verbrachte ihre Zeit mit Malen und Schreiben und verließ selten ihr Zimmer.“ [xxvii] An welchem Tag sie in Paris angekommen ist, erfahren wir leider nicht. Zwischen dem Beginn der Ausstellung Anfang Mai und ihrer Abreise von Wien spätestens Ende Mai müsste die Begegnung mit dem Knaben Friedrich Eckstein geschehen sein. Da die Weltausstellung erst am 1.Mai begann also im Laufe des Monats Mai 1873. Cranston / Williams schreiben noch, dass sie von Juli 1872 bis April 1873 bei ihren Verwandten in Odessa wohnte. „Von Odessa reiste HPB nach Bukarest, um einen Freund zu besuchen, und dann nach Paris, …“[xxviii] Hier haben wir offensichtlich einen jener weißen Flecken im Leben Helena Blavatskys. Er erstreckt sich auch über eine Zeit, in der sie zwischen Bukarest und Paris, das heißt in Mitteleuropa, gereist ist.
Zwischen April und Juni 1873 bewegte sich Helena Blavatsky nämlich von Odessa nach Bukarest, vermutlich mit dem Dampfer, und von Bukarest nach Paris, vermutlich mit der Eisenbahn, die über Klausenburg, Budapest und Wien fahren musste. Nach einem Brief an A. P. Sinnett, der ihre erste Biografie schreiben sollte, besuchte sie in Bukarest eine Madame Popesco. Diese erzählte ihr von Ereignissen in Wien im Jahre 1868 oder 69, von denen sie nichts wusste, ja sie zeigte ihr auch Notizen, die sie sich über diese Ereignisse gemacht hatte, insbesondere die Abschrift eines Zeitungsartikels aus diesen Jahren. Es handelte sich um einen mysteriösen, politisch motivierten Doppelmord, der auf okkulte Art durchgeführt worden war.
Da Helena Blavatsky einen Teil der mit diesem okkulten Mord zusammenhängenden Vorgänge selbst als Augenzeugin erlebt hatte, wie ihr wohl erst jetzt in Bukarest klar wurde, konnte sie die Tat sehr genau beschreiben. Leider ist auch ihr Lebensweg zur Tatzeit in einem jener weißen Flecken auf der Landkarte. Wir wissen über diese Zeit ihres Lebens das Folgende: Sie selbst hatte am 2. November 1867 in Mentana an der Seite Garibaldis für die Befreiung Italiens gekämpft und war dabei schwer verwundet worden. Zur Erholung war sie einige Wochen über Weihnachten 1867 in Florenz geblieben. Von dort reiste sie im Frühjahr über Antemari nach Belgrad, das sie etwa im April 1868 erreichte. Hier hatte sie Begegnungen mit der Gospoya P., mit Katinka und vielen anderen. Auf der Weiterreise ins Banat erreichte sie die Nachricht von der Ermordung des Serbischen Regenten Michael Obrenovic, die am 10. Juni 1868 erfolgt war. Ein bis zwei Monate nach der Tat war sie nochmals in Belgrad, wo sie die Gospoya P. und Frosya wiedersah. Auf dem weiteren Wege kam sie durch die Karpathen, gemeint sind wohl die Südkarpathen, wo sie auf jemanden warten musste, den ihr der Meister nachgeschickt hatte, und der sie über Konstantinopel nach Indien begleiten sollte. Die im Folgenden geschilderten Ereignisse spielen gemäß ihren Aussagen vier Jahre vor dem Besuch in Bukarest im April 1873, also im Frühjahr 1869 im Banat oder an dessen östlichem Rand. Zwischen der Ermordung des serbischen Hospodars Michael Obrenovich und der Rachetat verflossen demnach etwa ein ¾ Jahr. Während dieser langen Zeit hielt sich Helena Blavatsky in der Donaumonarchie im Umfeld Belgrads, des Banats und der Karpathen auf. Helena Blavatsky hat die okkulte Rachetat, deren Augenzeuge sie unwissend wurde, in einer Erzählung veröffentlicht, die ich gekürzt wiedergebe:
Kann der Doppelgänger morden?[xxix]
„An einem Morgen im Jahr 1867 [richtig: Juni 1868] wurde Osteuropa aufgeschreckt durch neue Nachrichten von der furchtbarsten Art. Michael Obrenovich, regierender Fürst von Serbien, seine Tante, die Prinzessin Katharina oder Katinka, wie sie genannt wurde, und deren Tochter waren am hellichten Tage nahe bei Belgrad in ihrem eigenen Garten ermordet worden; der oder die Attentäter blieben unbekannt. … Gerüchte waren im Umlauf, dass die blutige Tat von dem Prinzen Kara-Georgewitch angestiftet worden sei, einem alten Anwärter auf den bescheidenen Thron von Serbien, dessen Vater von dem ersten Obrenovich Unrecht geschehen war. … Ein junger Verwandter des Opfers, sehr beliebt bei seinem Volk, noch fast ein Kind, wurde von seiner Schule in Paris zurückgeholt, mit großem Zeremoniell nach Belgrad gebracht und zum Hospodar von Serbien ausgerufen (Milan, jetzt König von Serbien).
In dem Hin- und Herschwanken der politischen Erregung wurde die Tragödie von Belgrad von allen vergessen, außer von einer alten serbischen Dame, die der Obrenovich Familie verbunden war und die wie Rahel über den Tod ihrer Kinder nicht getröstet werden konnte. Nach der Ausrufung des jungen Obrenovich, dem Neffen des Ermordeten, zum Thronfolger hatte sie ihren ganzen Besitz verkauft und war verschwunden, nicht ohne vorher einen fürchterlichen Eid an den Gräbern der Opfer abzulegen, deren Tod zu rächen.
Der Schreiber dieses wahrheitsgemäßen Berichtes hatte etwa drei Monate bevor die schreckliche Tat ausgeführt worden war ein paar Tage in Belgrad zugebracht, und kannte die Prinzessin Katinka. Sie war freundlich, vornehm und liebte zu Hause den Müßiggang; im Ausland trat sie nach Sitten und Bildung wie eine Pariserin auf. Die alte serbische Dame verließ ihr Haus selten, sie ging nur aus, um gelegentlich die Prinzessin Katinka zu sehen. Hingehockt auf einem Haufen von Kissen und Teppichen, gekleidet in die malerische Nationaltracht, sah sie aus wie die Cumäische Sibylle an den Tagen ihrer verdienten Ruhe. Seltsame Geschichten wurden hinter vorgehaltener Hand über ihr okkultes Wissen erzählt und aufregende Berichte kreisten manchmal unter den Gästen, die am Kamin meiner einfachen Unterkunft versammelt waren.
Die alte Dame, die ich jetzt Gospoya P.… nennen will, war im Allgemeinen in Begleitung einer anderen Person, die bestimmt war, die Hauptakteurin in unserer grauenhaften Geschichte zu sein. Es war ein junges Zigeunermädchen aus irgendeiner Ecke von Rumänien, gegen vierzehn Jahre alt. Wo sie geboren worden war und wer sie war, schien sie genauso wenig zu wissen wie irgendjemand anders. Man sagte mir, sie sei eines Tages von einer Gruppe herumziehender Zigeuner mitgebracht und im Hof der alten Dame zurückgelassen worden, von wo sie ins Haus aufgenommen wurde. Sie hatte den Spitznamen ‚das schlafende Mädchen‘, da man meinte, sie habe die Fähigkeit, wo immer sie gerade stand, einzuschlafen und laut von ihren Träumen zu erzählen. Der Vorname des ungetauften Mädchens war Frosya.
Etwa achtzehn Monate nachdem die Nachricht von dem Mord an Michael Obrenovich Italien erreicht hatte[xxx], bereiste ich das Banat in einem kleinen eigenen Wägelchen, indem ich immer, wenn ich es brauchte, ein Pferd mietete, wie es in diesem einfachen Lande üblich war, wo man Vertrauen zueinander hatte. Auf meinem Wege traf ich einen alten Franzosen, einen Wissenschaftler, der allein reiste wie ich; mit dem Unterschied, dass während er zu Fuß unterwegs war, ich die Straße von der Höhe eines Thrones aus trockenem Heu auf einem schaukelnden Karren beherrschte. Ich entdeckte ihn eines schönen Morgens, schlummernd in der Wildnis von Sträuchern und Blumen, und wäre beinahe über ihn gefahren, weil ich so sehr von der großartigen Landschaft um mich herum eingenommen war. Die Bekanntschaft war bald gemacht, eine förmliche Vorstellung war unnötig. Ich hatte seinen Namen schon gehört in Kreisen, die am Mesmerismus interessiert waren, und wusste, dass er ein machtvoller Adept der Schule von Dupotet[xxxi] war.
„Ich habe“, bemerkte er im Laufe der Konversation, „eine der stärksten Subjekte in dieser lieblichen Thebais gefunden. Ich habe heute Nacht eine Verabredung mit der Familie. Sie möchten mit Hilfe des hellsichtigen Mädchens das Geheimnis eines Mordes aufdecken. Sie ist wunderbar; ganz, ganz wunderbar.“
„Wer ist sie?“, fragte ich.
„Eine rumänische Zigeunerin. Sie wurde aufgezogen, wie es scheint, in der Familie des regierenden serbischen Fürsten, der nicht mehr regiert, weil er in sehr mysteriöser Weise ermordet worden ist. Holla! Pass auf! Zum Teufel, wollen Sie uns in den Graben fahren!“ rief er hastig, indem er mir die Zügel entriss und dem Pferd einen kräftigen Ruck gab.
„Meinen Sie den Fürsten Obrenovich?“ fragte ich, entgeistert.
„Ja, genau den meine ich. Heute Nacht muss ich dort sein, und ich hoffe eine Reihe von Seancen zum Abschluss zu bringen, um es schließlich zu einer wunderbaren Manifestation der verborgenen Kräfte des menschlichen Geistes zu bringen, und Sie dürfen mitkommen. Ich werde Sie einführen; und nebenbei können Sie mir helfen als Übersetzer, denn sie sprechen kein Französisch.“
Da ich ziemlich sicher war, dass, wenn die Somnambule Frosya war, der Rest der Familie die Gospoja P… sein müsse, nahm ich sein Angebot bereitwillig an. Bei Sonnenuntergang waren wir am Fuße des Berges, wo der Weg zu der alten Burg führte, wie der Franzose den Ort nannte. Er verdiente den poetischen Namen vollkommen.
In der Tiefe eines der schattigen Mauer-Einzüge stand eine einfache Bank; und als wir am Eingang dieses poetischen Ortes anhielten, und der Franzose sich ritterlicher Weise auf der bedenklich aussehenden Brücke, die über das Wasser zum Eingangstor führte, um mein Pferd bemühte, sah ich eine hohe Figur sich langsam von der Bank erheben und zu uns kommen. Es war meine alte Freundin Gospoja P… , die noch blasser und geheimnisvoller als je aussah. Sie zeigte keinerlei Überraschung mich zu sehen, sondern begrüßte mich einfach auf die serbische Art – mit einem dreifachen Kuss auf beide Wangen – nahm meine Hand und führte mich direkt in das efeu-behangene Nest. Halb liegend auf einem schmalen Teppich, der auf dem Gras ausgebreitet war, erkannte ich unsere Frosya, die mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt war. Sie war in der Nationaltracht der Wallachischen Frauen gekleidet: eine Art von Gaze-Turban, in den verschiedene vergoldete Medaillen und Perlen gewoben waren, auf ihrem Haupt, eine weiße Hemdbluse mit offenen Ärmeln und Unterröcke in bunt gestalteten Farben. Ihr Gesicht war von tödlicher Blässe überzogen, ihre Augen geschlossen, und ihre Gesichtszüge zeigten jenen versteinerten sphinxartigen Ausdruck, der in so eigentümlicher Weise den Eintritt des hellsichtig somnambulen Zustands charakterisiert. Wären die Bewegungen ihres Brustkorbs und ihres Busens nicht gewesen, dessen Schmuck aus aufgereihten Münzketten und Halsbändern bei jedem Atemzug schwach glitzerte, hätte man sie für tot halten können, so leblos und erstorben war ihr Gesicht.
Der Franzose teilte mir mit, dass er sie zum Schlafen gebracht habe, während wir uns dem Haus näherten, und dass sie jetzt in dem Zustande sei, in dem er sie in der vergangenen Nacht verlassen hatte. Er begann sich dann mit dem ‚sujet‘ zu beschäftigen, wie er Frosya nannte. Uns nicht weiter beachtend schüttelte er sie mit der Hand und streckte dann, indem er einige wenige schnelle Streichbewegungen [darüber] ausführte, ihren Arm aus und versteifte ihn. Der Arm, hart wie Eisen, blieb in der Position. Er schloss dann alle ihre Finger außer einem, dem Mittelfinger, den er auf den Abendstern ausrichtete, der in dem tiefblauen Abendhimmel funkelte. Dann drehte er sich und ging von rechts nach links, indem er etwas von seinem Fluidum hierhin warf, und an einer anderen Stelle wieder etwas abgab, und beschäftigte sich mit seinen unsichtbaren aber mächtigen Fluida wie ein Maler mit seinem Pinsel, wenn er dem Bild die letzten Striche gibt. …
Inzwischen war die Nacht gekommen und der Mond erhellte die Landschaft mit einem fahlen gespenstigen Licht. Die Nächte sind im Banat nahezu so schön wie im Osten und der Franzose musste mit seinen Versuchen unter freiem Himmel fortfahren, da der Pope der Kirche derartige [Versuche] in seinem Turm, der als Pfarrhaus diente, verboten hatte, aus Angst, er könne die heiligen Bezirke mit den häretischen Teufeln des Mesmeriseurs verunreinigen, welche er, wie er sagte, nicht imstande wäre, auszutreiben, da sie Fremdlinge wären.
Der alte Herr hatte sein Reisehemd abgeworfen, seine Hemdsärmel hochgerollt und begann, indem er eine theatralische Haltung einnahm, den regelrechten Vorgang der Mesmerisierung. Unter seinen bebenden Fingern schien das odale Fluidum tatsächlich im Mondlicht aufzulodern. Frosya wurde so platziert, dass sie mit ihrer Gestalt dem Mond zugewandt war und jede Bewegung des in Trance versetzten Mädchens war erkennbar wie im Tageslicht. Nach wenigen Minuten erschienen große Tropfen Schweiß auf ihrer Stirn und rannen langsam über ihr blasses Gesicht hinab, wobei sie in den Strahlen des Mondlichts glitzerten. Dann bewegte das Mädchen sich unruhig hin und her und begann eine leise Melodie zu singen, zu Worten, denen die Gospoja, die sich voller Eifer über das bewusstlose Mädchen beugte, begierig lauschte und von denen sie jede Silbe zu erhaschen suchte. Mit ihrem dünnen Finger auf den Lippen, ihren nahezu aus den Höhlen tretenden Augen, ihrem unbewegten Leib, schien die alte Dame sich selbst in ein Standbild der Aufmerksamkeit verfestigt zu haben.
Plötzlich erhob sich Frosya, als wäre sie von einer übernatürlichen Macht aufgerichtet worden, aus ihrer ruhenden Stellung und stand aufrecht vor uns, bewegungslos und wieder ruhig, und wartete darauf, dass das magnetische Fluidum ihr die Richtung gab. Der Franzose nahm leise die Hand der alten Dame, legte sie in die der Somnambulen und befahl ihr sich „in Rapport“ mit der Gospoja zu setzen. „Was sagst Du, meine Tochter?“ murmelte die serbische Dame, „Kann Dein Geist die Mörder finden?“
„Suche und finde“, befahl ihr der Mesmeriseur streng, indem er seinen Blick fest auf das Gesicht des ‚Subjekts‘ heftete.
„Ich bin auf dem Wege – ich gehe“, wisperte Frosya schwach, als käme ihre Stimme nicht von ihr, sondern aus der umgebenden Atmosphäre.
An diesem Punkt fand etwas so außergewöhnliches statt, dass ich zweifle, ob ich fähig bin es zu beschreiben. Ein lichtdurchzogener Schatten erschien dunstartig nahe um den Körper des Mädchens. Zuerst gut zwei Zentimeter dick, dehnte er sich schrittweise aus, und indem er sich sammelte, schien er sich plötzlich von dem Körper loszureißen und sich zu kondensieren in eine Art von halbfestem Dunst, der sehr bald Ähnlichkeit mit der Somnambulen selbst annahm. Über dem Erdboden hin- und her flackernd, schwankte die Gestalt für zwei, drei Sekunden, um dann lautlos zum Fluss zu gleiten. Sie verschwand wie ein Nebel, aufgelöst im strahlenden Mondlicht, das die Dunstgestalt völlig zu absorbieren und aufzusaugen schien.
Ich hatte den ganzen Vorgang mit intensiver Aufmerksamkeit verfolgt. Die geheimnisvolle Operation, die im Osten als die Anrufung des scin-lecca bekannt ist, fand vor meinen Augen statt. Daran zu zweifeln war unmöglich, und Dupotet hatte Recht, wenn er sagte, dass der Mesmerismus die bewusst vollzogene Magie der Alten sei, und Spiritualismus die unbewusste Wirkung derselben Magie auf gewisse Organismen.
Sobald der dunstartige Doppelgänger durch die Poren des Mädchens ausgetreten war, hatte die Gospoja mit einer schnellen Bewegung derjenigen Hand, die ihr frei geblieben war, unter ihrer Pelisse etwas hervorgezogen, das verdächtig nach einem schmalen Stilett aussah, und hatte es rasch in den Ausschnitt des Mädchens geschoben. Die Handlung vollzog sich so schnell, dass der Mesmeriseur, in seine Arbeit vertieft, sie nicht bemerkt hatte, wie er mir nachher sagte. Einige wenige Minuten vergingen in Totenstille. Wir schienen eine Gruppe von versteinerten Personen. Plötzlich brach von den Lippen des in Trance versetzten Mädchens ein durchdringender und markerschütternder Schrei. Sie beugte sich vor und indem sie das Stilett aus dem Busen zog, stach sie damit wild um sich in die Luft als ob sie imaginäre Feinde verfolgte. Ihr Mund schäumte und zusammenhanglose wilde Schreie strömten von ihren Lippen, unter deren Missklängen ich mehrmals zwei vertraute christliche Männernamen heraushörte. Der Mesmeriseur war so erschrocken, dass er die Kontrolle über sich verlor, und statt ihr das Fluidum zu entziehen, das Mädchen noch mehr auflud.
„Pass auf“, rief ich, „Hör auf! Du wirst sie töten oder sie wird dich töten!“ Aber der Franzose hatte unbemerkt subtile Kräfte der Natur geweckt, über die er keine Kontrolle hatte. Wütend sich umdrehend führte das Mädchen einen Stich gegen ihn aus, der ihn getötet hätte, wäre er ihm nicht durch einen Sprung zur Seite ausgewichen, so dass er nur einen Kratzer am rechten Arm davontrug. Der arme Mann war von Panik erfüllt. Mit einer für seine massive Gestalt außerordentlichen Agilität kletterte er auf die Mauer über ihr, setzte sich mit gespreizten Beinen rittlings darauf und sandte, indem er seine verbliebene Willenskraft sammelte, eine Reihe von Streichen in ihre Richtung. Bei dem zweiten ließ das Mädchen die Waffe fallen und verharrte regungslos.
„Was machst Du?“, rief der Mesmeriseur heiser in französischer Sprache, während er wie ein monströser Nachtkobold auf der Mauer saß. „Antworte mir, ich befehle es Dir.“
„Ich tat nur, was sie – der Du mir zu gehorchen befahlst – mir auftrug zu tun“, antwortete das Mädchen, und zwar zu meinem großen Erstaunen in Französisch.
„Was hat dir die alte Hexe aufgetragen?“, fragte er respektlos.
„Die zu finden – die mordeten – sie zu töten – das tat ich – und sie sind nicht mehr! Gerächt – gerächt! Sie sind …“
Ein Schrei des Triumphes, ein infernaler Jubel, stieg auf in die Luft; indem er die Hunde der Nachbardörfer weckte, antwortete ihm ein Heulen und Bellen, ein nicht enden wollendes Echo des Schreies der Gospoja.
„Ich bin gerächt, ich fühle es, ich weiß es! Mein kundiges Herz sagt mir, dass es die Feinde nicht mehr gibt.“ Und nach Luft schnappend fiel sie auf den Boden, wobei sie das Mädchen bei ihrem Fall mitriss, die sich zu Boden ziehen ließ als wäre sie ein Holzklotz.
„Ich hoffe, mein Subjekt richtete heute Nacht nicht noch weitere Schäden an. Sie ist ein gefährliches ebenso wohl wie auch ein ganz wunderbares Subjekt“, sagte der Franzose.
Wir trennten uns. Drei Tage danach war ich in T[emesvar]; und während ich im Speisesaal eines Restaurants saß und auf mein Mittagessen wartete, griff ich nach einer Zeitung. Die ersten Zeilen, die ich las, lauteten:
„Wien, 186… . Zwei mysteriöse Todesfälle. Gestern Abend um 9.45 als P…. im Begriff war, sich zurückzuziehen, zeigten zwei diensttuende Herren plötzlich Zeichen großen Schreckens als hätten sie eine furchterregende Erscheinung wahrgenommen. Sie schrien, wankten, und liefen im Raum umher, indem sie ihre Arme hoben, als wollten sie die Angriffe einer unsichtbaren Waffe abwehren. Sie zollten den eifrigen Fragen ihres Herrn und seines Gefolges keinerlei Aufmerksamkeit, sondern fielen bald darauf sich krümmend zu Boden und hauchten ihr Leben unter großen Schmerzen aus. Ihre Leiber wiesen keinerlei Zeichen eines Schlaganfalls auf noch irgendwelche äußeren Zeichen von Wunden; aber seltsam zu sagen, gab es zahlreiche dunkle Punkte und lange Spuren auf der Haut als ob es Stiche und Schlagwunden wären, ohne die Haut zu durchbohren. Die Autopsie enthüllte, dass unter jeder dieser mysteriösen Verfärbungen ein Bluterguss lag. Die größte Erregung herrschte vor und die Mitglieder der Fakultät sind außer Stande das Geheimnis zu enthüllen.“
Diese Geschichte macht meines Erachtens deutlich, wie stark Helena Blavatsky in die historischen Auseinandersetzungen zwischen den Südslawen und Österreich-Ungarn einbezogen war. Sie kannte die Handelnden und das Schicksal führte sie sogar an Orte, an denen Geschehnisse sich ereigneten, die eigentlich das Tageslicht scheuen.
Die Beschreibungen sind derart lebendig, dass man sich nur schwer vorstellen kann, dass sie erfunden worden sind. Dass viele Einzelheiten bewusst ausgelassen bzw. verwischt wurden, liegt in der Natur der Sache. Musste Helena Blavatsky doch damit rechnen, dass jemand sich an den unsichtbaren Mördern der Mörder rächen würde wollen oder sie zumindest vor ein Gericht würde ziehen wollen. So ließ sie den Namen des Magnetiseurs fallen, seine Charakteristik entspricht aber ganz dem, was aus der Schule Dupotets überliefert ist: dass der Magnetiseur nämlich mit starker, befehlender Stimme agiert und sich das ‚Objekt‘ unterwirft. Ebenso hat sie, wie sie Sinnett erzählt, den Zeitungsartikel keineswegs in einem Temesvarer Kaffeehaus drei Tage später gelesen, sondern erfuhr von diesem Artikel vier Jahre später bei Madame Popesco in Bukarest. Aber auch Madame Popesco musste geschützt werden, denn sie war wohl identisch mit einer der beiden Ausführenden. Auch sich selbst schützte sie, indem sie in der amerikanischen Tageszeitung das Pseudonym ‚Hadji Mora‘ benutzte.
Interessant ist auch, dass einer ihrer Meister, nämlich Hilarion Smerdis, der „zyprische Meister“, ihr das Zusammenhängen ihres eigenen Erlebnisses am Fuß der Karpathen mit den im Zeitungsartikel beschriebenen Vorgängen bestätigt hat. Er hat auch den Aufsatz durchgesehen und korrigiert, d.h. er hat sich für die Veröffentlichung dieser Erzählung in einer amerikanischen Tageszeitung eingesetzt.[xxxii] Wen sollte diese Erzählung erreichen? War sie als Warnung gedacht?
Wie gut Helena Blavatsky auch äußerlich über die Auseinandersetzungen in der Donaumonarchie Bescheid wusste, schildert Hevesi ebenfalls in seiner Erzählung. Eckstein sagt da: „Was sie alles gesprochen? Das Hundertste und Tausendste. Sogar Politik. Sie fragte mich über unseren Ausgleich, und zwar mit Details, die verrieten, dass ihr die Sache vertraut war. Wiederholt kam sie auf Bismarck und wollte wissen, ob er in Österreich verhaßt wäre. …“[xxxiii] Bei dem sog. ‚Ausgleich‘ handelt es sich um den 1867 geschlossenen Ausgleich zwischen den deutschstämmigen Österreichern und den Ungarn. Während andere Völker der Donaumonarchie wenig Autonomie erhielten, avancierte Ungarn zum gleichberechtigten Teil der ‚Doppelmonarchie‘. Ein solcher Ausgleich hätte mit jedem in der Donaumonarchie lebenden Volk gesucht werden müssen.
Neben der eigentümlichen Verwobenheit Blavatskys in die Rachetat wird hier auch eine Schicksalsbeziehung zu Friedrich Eckstein deutlich. Denn nachdem sie im April in Bukarest die Ergänzung zu ihren eigenen Erlebnissen in Erfahrung gebracht hatte, was war natürlicher als dass sie auf dem Wege nach Paris, wo sie erst Im Juni bezeugt wird, sich eine Zeit in Wien aufhielt, wo die Weltausstellung war und wo die serbischen Mörder vier Jahre vorher ums Leben gekommen waren? Damit wird aber auch eine so frühe Begegnung mit dem zwölfjähri-gen Knaben Friedrich Eckstein am Rande der Weltausstellung nicht nur möglich sondern wahrscheinlich. Wenn man weiß, wie stark das Wahrnehmen der eigentlichen Individualität bei schauenden Persönlichkeiten veranlagt ist, rückt die Erzählung, H.P.B. habe ihn nach vierzehn Jahren wiedererkannt aus dem Bereich des Unglaubwürdigen in den Bereich des Glaubhaften. Die Tatsache aber, dass ihr der zwölfjährige Knabe aufgefallen ist, ohne dass sie auch nur ein Wort mit ihm gesprochen hatte, deutet m.E. auf eine lange Seelenverwandtschaft hin.
Helena Blavatsky in Deutschland
Madame Blavatsky kehrte, nachdem sie in den auf 1873 folgenden fünf Jahren in New York die Theosophical Society gegründet hatte und Amerika Ende 1878 mit Olcott verlassen hatte, um für das Erwachen Indiens zu arbeiten, nach wiederum fünf Jahren rastloser Tätigkeit in Indien wieder nach Europa zurück. Einer der Hauptgründe war sicher ihre angegriffene Gesundheit. Ein anderer war ihr Wunsch, die ‚Isis unveiled‘ noch einmal umzuarbeiten. Dass dabei ein ganz neues Werk entstehen würde, die ‚Secret Doctrine‘, ahnte sie noch nicht.
Wir wissen ferner durch Rudolf Steiner, dass sie ihr Werk in Indien als Lösegeld leisten musste, denn sie war von den Indischen Meistern aus einer okkulten Gefangenschaft befreit worden, in die sie von angelsächsischen Eingeweihten versetzt worden war, weil sie drohte, deren Geheimnisse zu verraten. Aus dieser Verpflichtung wurde sie einige Zeit nach ihrer Rückkehr nach Europa, nämlich während ihres Aufenthaltes in Würzburg entlassen.
Als sie am 20.2.1884 gemeinsam mit Olcott von Indien aufbrach, wusste sie jedenfalls, dass sie ihr Hauptwerk ‚Isis entschleiert‘ noch einmal überarbeiten wollte. Ihr Meister hatte ihr geraten, zu diesem Zweck nach Europa zu gehen. Am 12.3. kam sie in Marseille an und begab sich über Nizza nach Paris, um dort Streitigkeiten innerhalb der theosophischen Kreise zu schlichten.[xxxiv] Olcott, der mit ihr zusammen gereist war, reiste gleich weiter nach London um dort Frieden zu stiften. In London gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen der bisher dort führenden Dr. Anna Kingsford, die der London Lodge eine gnostische Ausrichtung gegeben hatte. Sie war selbst schauend und empfing einen laufenden Unterricht im Schlaf, der sie in ein ägyptisches Auditorium führte. Was sie dort im Schlaf hörte, schrieb sie auf. Es waren gnostische Lehren die sie vortrug. Die indischen Meister waren es zufrieden und sahen keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen ihren Lehren und denen der Anna Kingsford. Als aber Alfred Percy Sinnett aus Indien zurückgekommen war, mochte er nur noch das in Indien gelernte gelten lassen und ein Richtungsstreit entbrannte in der Londoner Loge.
Nachdem beide ihre Aufgabe erfüllt hatten, reiste sie von Paris aus weiter nach London, wo sie an so vielen Empfängen, Sitzungen, Kolloquien teilnehmen musste, dass sie schließlich erkrankte.
Olcott ging nun nach Deutschland, um in Elberfeld die erste Theosophische Sozietät zu begründen. Er war es, der 1884 unbedingt eine Loge in Deutschland gründen wollte. Dabei griff er dem Willen der Meister vor. Hübbe Schleiden notierte „daß die Adepten die Zeit noch nicht für gekommen erachten, er aber meint, es lasse sich schon jetzt Großes in Deutschland vollbringen“[xxxv]. Madame Blavatsky hielt deshalb zunächst nichts davon und hielt sich, obwohl Olcott sie aufgefordert hatte nach Elberfeld zu kommen, während der eigentlichen Gründung weiter in England auf.
In Elberfeld traf Olcott sich mit den gründungswilligen Mitgliedern der Familie Gebhard. Das Haus in der Platzhoffstraße 12, in dem die Gründungsversammlung stattfand, steht noch. Es ist innen umgebaut worden, so dass aus der Fabrikantenvilla ein mehrstöckiges Mietshaus geworden ist.
Gustav Gebhard (1828-1900) war Seidenfabrikant in Elberfeld und Krefeld. Er war persischer Konsul und ließ in der Umgebung Elberfelds Maulbeerbäume anpflanzen, um eine Seidenraupenzucht zu beginnen. Tatsächlich wurden die Preise für die Kokons und die gehandelten Mengen auch viele Jahre in Elberfelder Zeitungen notiert. Gustav Gebhard war auch einer der Gründer der Deutschen Bank. Seine vielseitigen wirtschaftlichen Impulse hatten ihm den Titel Kommerzienrat eingetragen. Die ausgedehnten Backsteinbauten der Firma sind noch heute in der Kaiserstraße in Vohwinkel zu sehen.
Die Familie war reich und seine Frau Marie bescherte Gustav sieben Kinder. Der Erwerbssinn der Söhne war ebenfalls gut ausgeprägt. Alle hatten eine kaufmännische Ausbildung in London erfahren. Der älteste Sohn Franz Gustav (1853-1940) war ebenfalls Fabrikant geworden, der zweitälteste Arthur (1856-1944) vertrat die Interessen der Familie in New York, der jüngste Sohn Rudolph (1857-1935) hatte gerade seine wirtschaftliche Ausbildung in London abgeschlossen. Schließlich hatten sie noch ein Zwillingspaar Walter und Hermann, von denen einer, Hermann, sich ca. 1881 mit einer Handfeuerwaffe das Leben genommen hatte. Das Geburtsdatum der beiden ist nicht bekannt. Sicher wird der Freitod des Sohnes dazu beigetragen haben, dass sich Mary intensiv mit der Frage nach dem Schicksal des Menschen und dem nachtodlichen Dasein befasste. Die Gebhards hatten auch eine Tochter, von der ich nichts weiter erfahren konnte, sowie ein weiteres siebtes Kind, von dem ich nicht einmal das Geschlecht weiß.
Die Seele des Unternehmens war aber Marie Gebhard, geb. L’Estrange, 1832 in Dublin als Engländerin geboren, 1892 in Berlin verstorben. Kennengelernt hatte sie ihren Gatten auf seiner ersten Geschäftsreise in New York. Ein Porträt zeigt Marie Gebhard als schöne, melancholische Frau mit klar geschnittenem, ovalem Gesicht. Über einem schmalen Kinn und einer schlanken, geraden, leicht gräzisierenden Nase erhebt sich die hohe helle Stirn. Die Augen blicken intensiv aus den tiefen Höhlen hervor. Ihr Alter mag zwischen 20 und 30 Jahren liegen. Das kräftige dunkle Haar ist in der Mitte gescheitelt und fällt weit über ihre freien Schultern auf den Rücken herab. Das Ölgemälde zeigt sie stehend. Ihre Rechte hält das Gelenk der Linken vor dem Leib. Mit der Linken hält sie ein Spitzentüchlein. Auch ihre Oberarme sind von Spitzen bedeckt.
Marie Gebhard war spätestens im April 1883 in die London Lodge der Theosophical Society eingetreten. Alfred Percy Sinnett, der Verfasser zahlreicher theosophischer Werke der Anfangsphase der Theosophie, berichtet, sie habe 1883 von seiner Rückkehr aus Indien gehört und sei im Frühjahr nach London gekommen, um ihn kennen zu lernen. Bei diesem Aufenthalt sei sie Mitglied der Theosophical Society geworden. Nach einer später erstellten Liste der Societät Germania war das am 15. Mai 1883. Sinnett beschreibt auch die eigentümlichen Umstände, unter denen sie Zutritt zur Theosophical Society erhielt:
Colonel Olcott hatte für die neu eintretenden Mitglieder eine feierliche Zeremonie ausgebildet. Sie lernten bestimmt geformte Worte, die man verwenden sollte, um einen Unbekannten, von dem man nicht wusste, ob er Theosoph sei, anzusprechen. Dieser hatte, wenn er ein Mitglied war, in genau bestimmter Weise zu antworten und es musste schließlich „ein ungeschickt wirkender Handgriff “ [xxxvi] gelernt werden. Olcott übertrug also freimaurerische Gepflogenheiten auf die Theosophical Society – ohne die Inhalte mit zu übertragen. Immerhin zeigt sich an diesem Vorgehen, etwas, was auch aus seinen ‚Old Diary Leaves‘ hervorgeht, nämlich dass er Hochgrad-Freimaurer war und bestrebt war, die Theosophical Society in einen engeren Zusammenhang mit der Freimaurerei zu bringen. [xxxvii] Sinnett schreibt nun: „Ich mochte diese affektierte Geheimnistuerei nicht, da wir tatsächlich nichts Okkultes besaßen, und verstand es kurz darauf so einzurichten, dass das alles abgeschafft wurde, aber es war derzeit noch im Gebrauch. Und ich erinnere noch wie bei einem der Treffen eines der ursprünglichen Mitglieder, das alles arrangierte, zu mir kam und sagte, eine seltsame Dame stände vor der Tür, die behaupte, sie sei Theosophin, aber sie kenne die Zeichen nicht! Solle sie Zutritt haben? Ich sagte ja, und die Dame, die dann hereingelassen wurde, war niemand anders als Mrs. Gebhard, die ich damals zum ersten mal sah. Sie war tatsächlich von Deutschland herüber gekommen mit dem ausgesprochenen Ziel, mit der neuen Bewegung in London in Berührung zu kommen (und uns persönlich kennenzulernen) und spielte später eine wichtige Rolle in der Bewegung. Hätte ich die Initiations-Zeichen nicht ohnehin gering geschätzt, wäre ihr wohl der Zutritt zu unserem kleinen Treffen verweigert worden. Wäre zudem ihr Temperament weniger gleichmütig gewesen, hätte sie durchaus entrüstet sein können, ...“[xxxviii]
Aus dieser ersten Begegnung entstand eine Freundschaft und die Sinnetts besuchten Elberfeld im Sommer 1883 und gewannen das Interesse der ganzen Familie Gebhard. So kam es 1884 zu dem Gründungsimpuls der Gebhards.
Olcott erreichte Elberfeld am 23.Juli. Zwei Tage nach ihm erreichten weitere weitgereiste Teilnehmer den Ort: Madame Haemmerlé aus dem russischen Odessa und Dr. Elliott Coues aus Washington. Das zeitgleiche Eintreffen der drei Gäste aus Indien, den U.S.A. und dem russischen Schwarzmeer-Raum setzt voraus, dass es Verabredungen gegeben hat, d.h., dass die Gründung der Elberfelder Loge schon vor der Abreise aus Adyar von Olcott in seinen Reiseplan einbezogen worden ist. Die dafür erforderlichen Absprachen müssen auch mit Mary Gebhard und ihrer Familie getroffen worden sein. Vermutlich finden die Absichten Olcotts, der das Zögern der indischen Adepten nicht beachtet hatte, in einer welthistorischen Perspektive ihre Erklärung, die Hübbe Schleiden noch 1884 in Englisch notiert hat. Er erhielt Einblick in okkulte Erkenntnisse der indischen Lehrer über die Zukunft des kommenden Jahrhunderts.
„3101 BC Krishna died 3101 Krischna starb
601 Budda died 601 Buddhas Tod
2500 years difference 2500 Jahre Unterschied
After Christ 2500 – 601 Nach Christi Geburt
1899 End of the Cycle of 5000 years. Ende des 5000-
Jahre-Zyklus
1875 Theosophical society Theos. Gesellschaft formed gegründet
1882. Great success commenced Großer Erfolg beginnt
1886 Volcanic Kataclisms Vulkanische
Erschütterungen
1888 Political events of all kind Politische Ereignisse
aller Art
Great Britain is going down Großbritannien steigt from her apex von seiner Höhe herab
but will last fo some time yet. bleibt aber noch
last for sotime yet. einige Zeit,
France will be reduced to a Frankreich wird zu
state of secondary importance einem Staat von like Belgium. zweiter Bedeutung .
wie Belgien .
America, Germany & Russia Amerika, Deutschland
will be & Russland werden die
the leading führenden Mächte
powers of the next des nächsten century from 1899 –[xxxix] Jahrhunderts ab 1899 -
Die Einbeziehung eines amerikanischen und eines russischen „Paten“ in die Gründung der deutschen Loge würde genau die Mächtekonstellation wiederspiegeln, die die Lehrer Hübbe Schleidens ihn für das 20.Jahrhundert notieren ließen. Wenn es in diesen Notizen heißt, Großbritannien habe seinen Höhepunkt überschritten, werde aber noch einige Zeit dauern, so dürfte in den betreffenden Kreisen an einige Jahrzehnte gedacht gewesen sein. Jedenfalls sprach H.P.B. einmal gegenüber Sinnett davon: „Der Meister sagt, dass die Stunde des Rückzugs der Engländer noch nicht geschlagen hat und noch nicht sobald schlagen wird, sondern erst im nächsten Jahrhundert, also zu einer Zeit, wenn sogar Dennie ein sehr alter Mann ist, wie KH es vor kurzem ausdrückte.“ [xl] Dennie, der Sohn der Sinnetts, war zur Zeit der Befreiung Indiens 1947 tatsächlich ein alter Mann.
Dr. Hübbe Schleiden traf am 26. Juli aus Hamburg ein und begegnete am 27. mittags Colonel Olcott, der ihn erst einmal in die Theosophical Society aufnahm. Den Notizbüchern Hübbe Schleidens ist zu entnehmen, dass er vor dieser Begegnung mit Olcott zumindest korrespondiert hat. Die Notizbücher Hübbe Schleidens enthalten viele Eintragungen, aber nur selten Zeitangaben, so dass eine genaue Rekonstruktion der vorbereitenden Schritte zur Zeit nicht möglich erscheint. Hübbe Schleiden hat zudem Seiten, die bereits weitgehend beschrieben waren, später zusätzlich für kürzere Notizen genutzt. An einer Stelle scheint aber gerade dadurch eine Datierung „ante quem“ möglich. Direkt vor der Notiz „Alter de Voss 80. Geburtstag 14. Juni 84“, die er doch wohl vor dem Geburtstag gemacht haben wird, und die am unteren Ende eines Blattes steht, sind Teile eines wichtigen Briefes an Olcott in einer vorbereitenden Aufzeichnung notiert. Diese Notiz dürfte wenigstens einige Tage älter sein als die Geburtstagsnotiz. Sie dürfte spätestens im Mai 1884 geschrieben worden sein, mehr als zwei Monate vor der Gründung. Es heißt da:
„Kein Zweifel, daß man außerordentlich viel mehr für die Kultur der Menschheit wirken und auch sich selbst viel besser entwicklen ... , wenn man mit andren wirkt. - Etwa in Verbindung mit und im spirituellen Dienste Europ. Adepten. – Diesen mn. Brief einsenden und erfragen, ob sie mich als Schüler annehmen wollen.“ [xli]
Mitten in der Aufzeichnung ist der Name Col. Olcotts in fetter Schrift notiert und am Kopf der Seite seine zeitweiligen Londoner Adressen. Ein anderer Briefentwurf an Olcott erscheint gegenüber dem obigen wie eine Fragenliste und dürfte daher noch älter sein: „Colonel Olcott: Was muss ich tun, um ein Schüler eines der tibetischen Brüder zu werden, um einen Mahatma als Guru zu erhalten. Ich meine, auf welchem Wege kann ich anfragen, wo und bei wem. Welches Opfer auch immer von mir verlangt wird, bin ich bereit auf mich zu nehmen. Ich bin nicht wohlhabend, aber ich werde alles tun, wenn man mir sagt wie ich es machen soll, um die Weisheit des Östlichen Geheimwissens zu erlangen und mich selbst zu bemeistern. Mein Nervensystem ist zwar vollkommen zerrüttet, aber ich habe das Vertrauen, dass es durch okkulte Macht leicht wieder hergestellt werden kann.“[xlii]
Bis zu diesem Punkte sind diese Notizen Hübbe Schleidens schon mehrfach zitiert worden. Das Blatt enthält aber weitere Fragen. Nach einem Querstrich heißt es weiter: „Wie soll man die Gesetze der Natur studieren & durch welche Methoden kann jemand die vollständige Bemeisterung seines Selbstes erreichen? Wo? In Indien? Südamerika? Was kostet das? Höhere Erkenntnis?“ [xliii]
Und an der linken Seite notiert Hübbe Schleiden zuletzt senkrecht: „Gibt es Adepten in Europa? Wer und wo sind die Autoren des Buches ‚The Perfect Way‘?“ [xliv] Man sieht aus diesen Notizen, dass Hübbe Schleiden noch lange nicht sicher war, ob der Weg über die nordindischen Adepten wirklich der richtige sei. Er befand sich noch in einer Findungsphase. Helena Blavatsky, die ihn 14 Tage später kennenlernte, erkannte das sofort und charakterisierte ihn als einen kleinen ängstlich flatternden Vogel, einen Sperling.
Am 27.Juli 1884, abends um 7.06, gründete der anwesende Kreis die Theosophische Sozietät Germania. Olcott legte auf diesen Zeitpunkt anscheinend großen Wert, denn er wartete nicht ab, bis Helena Blavatsky kam und er wartete auch nicht die Rückkunft Gustav Gebhards ab. Er führte die Gründung durch als die Sterne so standen, wie es ihm günstig schien. Ein später für Hübbe Schleiden angefertigtes Horoskop des Gründungsaugenblicks ist erhalten. An der Gründungssitzung nahmen auf Grund der Dokumente mit Sicherheit nur teil: Henry Steel Olcott, Dr. Wilhelm Hübbe Schleiden, Madame Haemmerle aus Odessa, Dr. Elliott Coues aus Washington, die Gastgeberin Mary Gebhard, ihre Sohn Franz Gebhard, dessen Frau Aline Gebhard, und ihr Sohn Rudolf Gebhard. Alle anderslautenden Behauptungen sind falsch.[xlv] An diesem Abend wurden die wichtigsten Ämter verteilt.
Diese Sitzung fand in einem „occult room“ in der Villa der Gebhards statt, den sich Marie Gebhard eingerichtet hatte. Sie war eine der beiden einzigen Schüler Eliphas Levis gewesen, hatte ihn regelmäßig in Paris aufgesucht, hatte Schulungsbriefe von ihm erhalten und ihn nach der Belagerung von Paris durch die deutschen Truppen 1871, die für Paris eine Hungerkata-strophe bedeutet hatte, einige Monate in Elberfeld aufgenommen, um ihn zu pflegen. Er hatte ihr ein Manuskript übergeben, das sie veröffentlichen sollte. Sie hat auch aus ihren Schulungsbriefen einiges veröffentlicht, wie auch ihre persönlichen Erinnerungen an Levi. Kurz, Marie Gebhard war eine okkult erfahrene Frau, die sich ein Meditationszimmer eingerichtet hatte. Darin war unter anderem auch ein Ölportrait von Eliphas Levi. Unter diesem Bild, gewissermaßen unter seinem Patronat, fand die Gründungsversammlung statt. – Am nächsten Tag wurde die Gründungsversammlung in der nahegelegenen Villa des Sohnes fortgesetzt.
Henry Steel Olcott reiste dann gemeinsam mit Wilhelm Hübbe Schleiden durch Deutschland, um Menschen zu besuchen, die er aus Veröffentlichungen oder Briefwechseln kannte und die Interesse an der Theosophie gezeigt hatten. So konnte er mehrere Mitglieder aus ganz Deutschland gewinnen.
Sie wurden nach Elberfeld eingeladen, wohin Madame Blavatsky nun tatsächlich gekommen war, und wo die Gäste der Gründungsversammlung noch immer weilten. Gustav Gebhard, Maries Mann, hatte sie auf der Rückreise nach Europa in England gesehen und ihren katastrophalen Gesundheitszustand sofort erkannt. Er scheute keine Kosten und ließ Londoner Ärzte nach Cambridge kommen, wo sie sich gerade aufhielt. Die Ärzte verschrieben ihr Ruhe, die ihr Gustav Gebhard garantierte, wenn sie nach Elberfeld kommen werde. Er werde für ihre Pflege sorgen. So kam in Elberfeld es zu einem wunderbaren Sommerurlaub für Helena Blavatsky. Sie durfte auch Gäste mitbringen, die allesamt von den Gebhards untergebracht und verpflegt wurden: Mrs. Mary Anne und Miss Francesca Arundale, der noch kleine Adoptivsohn George Arundale (Francescas Adoptivsohn), Mrs. Laura Holloway, Bertram Keightley und der Inder Mohini erreichten am 17.August Elberfeld. Über das, was sich in Elberfeld dann zugetragen hat gibt es eine Reihe von Zeugnissen, z.T. sehr lebhafte Schilderungen, z.T. kurze Notizen von behandelten Themen. Aus alldem geht hervor, dass Helena Blavatsky keine Vorträge gehalten hat, sondern es nur tägliche lockere Gespräche mit ihr gab, Ausflüge wurden gemacht, Gesellschaftsspiele – und natürlich gab es auch die zu der Zeit noch immer geforderten kleinen Zauberkunststückchen. Der Maler Schmiechen kam und malte ihr Bild. Menschenkundliche, historische, kulturgeschichtliche Themen wurden behandelt und natürlich „die Meister“. Helena Blavatsky brachte in diesen sechs Wochen Leben und Seele in das ideenerfüllte Gründungsgeschehen.
Besonders interessant mag vom Gesichtspunkt okkulter Geschichte ein „Meisterbrief“, angeblich von K.H., sein, der die Anwesenden, insbesondere aber Francesca Arundale, die ihn erhielt, vor dem Nationalismus warnte. Es hieß in diesem Brief: „Wenn jedes Mitglied sich zum Motto die weisen Worte eines jungen Mannes nähme, allerdings eines glühenden Theosophen, und wiederholte mit Bertram K.[Keightley] ‚Ich bin zuerst ein Theosoph, dann ein Engländer.’, könnte kein Feind jemals Eure Gesellschaft zu Fall bringen.“[xlvi] Bemerkenswert ist, dass Bertram Keightley hier als vorbildlich dargestellt wird.
Der Meister K.H. deutet in diesem Brief außerdem gegenüber Miss Arundale etwas an über die Rolle der Deutschen bei der Ausbreitung der Theosophie: „Euer Zweig sollte Beziehungen zu allen anderen in Europa pflegen: die Loge Germania kann Euch helfen – die anderen brauchen Eure Hilfe. Dies ist eine Bewegung für ganz Europa, denke daran – nicht nur allein für London.“[xlvii]
Wollte der Schreiber des Briefes damit sagen, Europa brauche die Theosophie, die Aufgabe sei umfassend, die Loge Germania (d.h. die deutschen Theosophen) kann Euch bei der Erfüllung dieser gemeinsamen Aufgabe helfen? Oder meinte er: Damit Ihr Engländer Europa die Theosophie bringen könnt, braucht Ihr eurerseits die Hilfe der Loge Germania? Sie kann Euch helfen; die anderen brauchen Eure Hilfe - Ihr braucht die Hilfe der Loge Germania?
Bertram Keightley, der dabei war, als der Brief in Elberfeld seinen Empfänger fand, hat sich den Inhalt jedenfalls sehr zu Herzen genommen. Er hat mindestens bis gegen 1910 das deutsche Geistesleben aufmerksam verfolgt, hat immer wieder Artikel über wichtige Ereignisse und Erscheinungen in Deutschland in den theosophischen Zeitschriften veröffentlicht und war der erste, der Rudolf Steiner außerhalb Deutschlands „entdeckt“ hatte. Er fasste weite Partien des Werkes „Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens“ zusammen und veröffentlichte diese Zusammenfassungen Kapitel für Kapitel. Er schrieb selbst, dass er diese Zusammenfassungen nicht wegen der „Mystics oft the Renaissance“[xlviii] schreibe, sondern wegen der Art, in der Rudolf Steiner sie darstelle.[xlix] Rudolf Steiner habe einen ganz eigenen Weg gefunden, er sei ein „mystic oft the intellect“. Keightley hat eine Zusammenarbeit des deutschen und englischen Elementes in der Theosophischen Gesellschaft gesucht – ausgehend von diesem Ereignis in Elberfeld.
Das Ende dieses ersten Besuches in Elberfeld wurde durch Nachrichten aus Adyar herbeigeführt. Jesuiten hatten die Coulombs dazu gebracht, aus der Schule zu plaudern. Sie hatten, wie sie selbst zugaben, die Bereitschaft der beiden Mitarbeiter Blavatskys dadurch gefördert, dass sie ihnen eine größere Summe Geldes anboten. Man kann das als Ermöglichung der Freiheit ansehen – die Coulombs waren wirtschaftlich abhängig von der T.S. – oder als Bestechung. Jedenfalls hatten die Coulombs einige der Tricks erzählt, mit Hilfe deren das Interesse an der Theosophie und den Offenbarungen der Meister geweckt und wachgehalten worden war.
Nun waren derartige Enthüllungen ja Halbwahrheiten. Denn es war ja dasselbe Verfahren als ob ein Physiker einem Musiker die neunte Sinfonie von Beethoven entzaubern wollte, indem er erklärte wie der Ton als physikalisches Phänomen zustande kam. Den, der die Sinfonie kennt, muss das nicht erschüttern. Den aber, der sie nicht kennt, wird der Gedanke, dass da ein Illusionstheater aufgeführt werde, und alles unwahr sei, davon abhalten, sich auf die Sache weiter einzulassen. Ganz in diesem Sinne geht man heute mit den antiken Mysterien um, die zum großen Teil aus Schauspielen bestanden, die in unterirdischen Räumen aufgeführt wurden, usw. Dass die Erlebnisse, die man daran hatte, um nichts weniger bedeutend waren und eine kathartische und initiatorische Wirkung haben konnten, bleibt für den äußeren Betrachter und für den Kritiker außerhalb aller Erfahrung.
Weil die Wirkung des Theaters auf derselben Praxis beruht, nannte Rudolf Steiner seine vier Dramen „unsere Mysterien“.
Helena Blavatsky hatte Briefe durch Spalten in der Decke fallen lassen und ähnliches. Aber kam es darauf an? Wenn der Inhalt wirklich vom Meister kam, der nun einmal nur im Innersten eines Menschen sprechen kann, war es dann so wichtig, wessen Hand den Brief geschrieben hatte und ob er mit der „Royal Post“ kam oder von jemandem in die Manteltasche geschoben worden war. Die frühen Theosophen glaubten solche Wunder zu brauchen, um an die Realität des Geistes glauben zu können. Helena Blavatsky empfing wirkliche Äußerungen der Meister – vielleicht auch ganz anderer Menschen – und war bereit sie den Menschen auf die gewünschte Art mitzuteilen. Sie hatte kein schlechtes Gewissen dabei, denn sie hielt das für eine notwendige Inszenierung, ohne die die Worte ihre Wirkung nicht voll entfalten konnten.
Die gesamte weitere Zeit in Deutschland wurde durch die Vorwürfe der Jesuiten, sie sei eine Betrügerin, zu einer Zeit des Kampfes und der ständigen Verteidigungsbemühungen. Die in Elberfeld anwesenden Freunde nahmen die Sache zunächst nicht gleich ernst. Man vertraute darauf, Helena Blavatsky werde die Missverständnisse aufklären und die Lügner widerlegen. Am 20. September berichtete die Londoner Times über die angebliche Enttarnung K.H.‘s und Blavatskys. Damit war der Skandal in Europa angekommen. Am 27. September erklärte Helena Blavatsky noch in Elberfeld ihren Rücktritt aus dem Amt. Zur Begründung schrieb sie an Francesca Arundale: „Solange ich in der Gesellschaft bin und an ihrer Spitze stehe, diene ich nur als Zielscheibe, worunter auch die Gesellschaft nur zu leiden hat.“[l]
Helena Blavatsky aber ahnte, was die Stunde geschlagen hatte und verließ Elberfeld etwa am 5.Oktober in Richtung London. Es gelang ihr, am 9.Oktober eine beruhigende Stellungnahme in der Times unterzubringen. Doch hatten ihre jesuitischen und sonstigen Gegner gegenüber der Öffentlichkeit die besseren Karten. Daraufhin entschloss sie sich, noch einmal nach Indien zurückzukehren, um dort gerichtlich gegen ihre Verleumder vorzugehen. Das Schiff verließ Anfang November Liverpool und auf dem Wege recherchierte Alfred Cooper Oakley in Ägypten gegen die Coulombs. Er konnte Vorstrafen feststellen, was die Glaubwürdigkeit der beiden Kronzeugen erheblich einschränkte. Die Leitung der Theosophischen Gesellschaft gab ihr aber nicht die Erlaubnis, einen Prozess zu führen. Man wollte vermeiden, dass öffentlich zu viel über ihre Meister gesprochen würde.
Zur selben Zeit schickte die englische Society for Psychical Research einen jungen Wissenschaftler namens Richard Hodgson nach Adyar, der die Vorwürfe untersuchen sollte. Er hielt sich in Adyar auf, ließ sich alles zeigen, verhörte die Zeugen, auch die Coulombs, sprach ausführlich mit allen Mitarbeitern, führte aber mit Helena Blavatsky nur eine kleine Zahl belangloser Gespräche.
Anfang des Jahres 1885 verlor Helena die Geduld mit ihren indischen Theosophen. Subba Row beschuldigte sie des Verbrechens und meinte, es sei gut, dass ihre Glaubwürdigkeit in Europa so gelitten habe, denn sie erzähle zu viel von den Geheimnissen des Ostens und man würde ihr wohl bald das letzte entlockt haben, wenn sie nicht durch diesen Vorfall daran gehindert worden wäre. „Es wurde Zeit Zweifel in ihr Bewusstsein zu säen. Sonst hätte man alles aus Ihnen herausgeholt, was sie wissen.“[li] Eine Reihe von indischen Mitarbeitern in Adyar erzählte dem englischen Wissenschaftler sogar, es gäbe keine Meister, Frau Blavatsky habe sie erfunden. Dieses Verhalten mag den letzten Anstoß geboten haben, endgültig nach Europa zurückzukehren. Helena erneuerte am 21.März ihr Rücktrittsgesuch, das vorher abgelehnt worden war, legte ein gesundheitliches Attest bei, das dringenden Klimawechsel gebot, und verließ am 31.März Indien. Es war aber nicht nur ihr Wille, der sich in diesem Schritt zeigte. „Es war die Entscheidung von Freunden, die sich um ihre Gesundheit Sorgen machten, sowie von anderen, die den Glauben an ihre Mission verloren hatten und in ihrem weiteren Verbleib in Adyar eher eine Belastung sahen.“[lii] Nun wird deutlich, was Rudolf Steiner über Helena Blavatskys Wirken sagte, dass nämlich sowohl die Okkultisten des Westens wie die des Ostens nach einiger Zeit einsahen, dass auf diesem Wege das Geheimwissen nicht in die Welt dringen sollte: zu chaotisch brachte sie es hervor. Nebeneinander standen tiefste okkulte Wahrheiten und ganz Belangloses.[liii]
Auch Henry Steel Olcott fragt im Juni in einem Brief Miss Arundale, ob Helena Blavatsky „unter diesen Umständen von ihrem Hause vertrieben werden“ solle? [liv] Er habe eine Sammlung veranlasst, um wenigstens ihre materielle Not zu lindern.
Auch Hodgson kehrte am 26.März 1885 nach Europa zurück. Etwa gleichzeitig waren sie nach Indien gereist, gleichzeitig kehrten sie wieder zurück – ohne einander zu begegnen. Während Helena, begleitet von dem Inder Babajee und Dr. Franz Hartmann, in Neapel von Bord ging, um sogleich zu versuchen, ein neues Buch – die spätere Secret Doctrine – zu verfassen, reiste Hodgson auf einem anderen Schiff nach London. Sein Untersuchungsbericht ließ vorerst auf sich warten.
Helena Blavatsky hatte im Hotel Vesuvio in Torre del Greco, am Fuß des Vesuv und drei Kilometer von der Ausgrabungsstätte Herculaneum entfernt, keinen Erfolg. Obwohl sie damit in die Atmosphäre der Sibylle von Cumae eintauchte, scheint das ihrem Inspirationsvermögen nicht geholfen zu haben. Während dieser Zeit kam es in London zu einer Art Vorbeben der endgültigen Veröffentlichung. In einer öffentlichen Sitzung der Society for Psychical Research erklärte er, er habe festgestellt, dass es keinen östlichen Okkultismus gäbe! Dass eine dreimonatige Untersuchung in Madras keine zureichende Grundlage einer solchen Behauptung liefern kann, steht außer Zweifel. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Behauptung trotzdem aufgestellt worden ist. Der östliche Okkultismus war durch die Theosophische Gesellschaft in Amerika und Europa aufgetreten mit dem Anspruch, nur durch ihn gebe es einen Zugang zu den wahren Quellen des inneren Lebens. Den westlichen Okkultismus ließ er dabei völlig außer Acht und tat so, als gäbe es ihn nicht. Nun trat ein westlicher Forscher auf, der laut verkündete, die Wunderlichkeiten seien alle Betrug, es gebe gar keinen östlichen Okkultismus.
Im August reiste sie mit Babajee nach Deutschland . Dort wollte sie das neue Buch versuchen aufs Papier zu bringen. An Patience Sinnett schrieb sie: „Ich möchte nicht in einer der Großstädte Europas leben, aber ich brauche einen warmen und trockenen Raum, wie kalt es auch draußen ist. ... Ich mag Würzburg. In der Nähe sind Heidelberg und Nürnberg, und all die Orte, in denen einer der Meister gelebt hatte und Er ist es, der meinem Meister riet, mich hierher zu schicken. ...“ [lv] Silvia Cranston deutet durch ein K.H. in Klammern an, dass es Koot Hoomi gewesen sei, der ihrem Dafürhalten nach an „all den Orten gelebt hatte“ [lvi]. Miss Fuller denkt an den sogenannten ungarischen Meister, den Grafen von Saint-Germain.[lvii] Beide begründen ihre Vermutungen nicht.
Madame Blavatzky kam etwa Mitte August in Würzburg an. Hier mietete sie sich eine Wohnung in der gutsituierten Ludwigstraße 6, bestehend aus zwei großen Räumen, und suchte sich ein Mädchen - Louisa - als Bedienung. Ihre finanziellen Mittel waren knapp. Alfred Percy Sinnet berichtet, dass Helena Blavatsky erst in Würzburg mit der Arbeit an der „Geheimlehre“ begonnen habe. „Mit der Geheimlehre hatte sie im September 1885 noch nicht begonnen, als meine Frau und ich sie in Deutschland besuchten“, schreibt Sinnett in seinen ‚Incidents’.[lviii] Und Wilhelm Hübbe Schleiden ergänzt: „Als ich sie im Oktober 1885 besuchte, hatte sie gerade zu schreiben begonnen...“[lix]
Sinnett deutet auch an, was den Beginn möglich machte: „Innerhalb der letzten drei Monate des Jahres 1885 begann sie die okkulten ‚Inspirationen’ oder wie immer Leute es nennen mögen, die mehr oder weniger mit den Bedingungen ihres höheren Lebens vertraut sind, zu empfangen, die erforderlich sind für die Schöpfung des langversprochenen Buches zur Geheimlehre. Das Werk war im Theosophist schon durch Nachrichten angekündigt, die bis in den Februar 1884 zurückreichen.“[lx] Die erste Ankündigung war also genau zu dem Zeitpunkt erfolgt, als Helena Indien wieder in Richtung Europa verließ.
Dementsprechend hatte William Q. Judge im Sommer 1884 bereits einige Zeit in Paris zugebracht, um, wie Blavatsky sagt, bei der Arbeit an dem Manuskript zu helfen.[lxi] Einige Vorschläge Judges für das Buch wurden zurückgewiesen, doch berichtet er, dass in dieser Zeit „eine Reihe von ernsten Beratungen zwischen ihnen den Meistern abgehalten wurden, darüber, was in die Secret Doctrine aufgenommen werden sollte, und dass geradeheraus gesagt wurde, dass das Buch in einer solchen Weise gemacht werden solle, dass der ernsthafte Student genötigt ist, viele grundlegende Wahrheiten, die darin enthalten sind, mühsam auszugraben. In einem modernen Buch wäre besonders auf sie aufmerksam gemacht worden und sie wären in einen notwendigen Zusammenhang eingebettet worden. Aus derselben Quelle stammt die Aussage, dass, da dieses Zeitalter (geschrieben ca.1893) in jeder Hinsicht ein Übergangszeitalter sei, die vollen Offenbarungen noch nicht für diese Generation seien. Doch sollte in der beschriebenen Weise genug herausgegeben werden, um das Buch in der Substanz zu einer Offenbarung zu machen.“[lxii] Im Sommer 1884, direkt vor der Begründung der Theosophischen Sozietät Germania, waren also die Beschlüsse der Meister gefasst worden, was in dem Buch offenbart werden solle – und was nicht. Ausdrücklich spricht Judge davon, dass die vollständige Enthüllung des Geheimnisses „nicht für diese Generation“ sei. Da nicht von „diesem Zeitalter“ sondern von „dieser Generation“ die Rede ist, impliziert das, dass innerhalb einer oder weniger Generationen mehr enthüllt werden sollte.[lxiii] Diese grundlegenden Entschlüsse wurden im Frühjahr 1884 gefasst, als Helena Blavatsky auf dem Weg nach Elberfeld war.
Es hat sich im Herbst 1885 also nicht um einen allerersten Anfang gehandelt. Ein Brief Blavatskys an Sinnett spricht im Oktober 1885 von einem Durchbruch im inneren Erleben in Würzburg, jetzt sehe sie alles so klar vor sich wie zehn Jahre früher bei der Niederschrift von ‚Isis entschleiert’. „Ich bin sehr fleißig an der Geheimlehre. Die Sache von New York wiederholt sich – nur weit klarer und besser. Ich fange an zu denken, dass sie uns rechtfertigen wird. Solche Bilder, Panoramen, Szenen, voreiszeitliche Dramen, mit all dem! Nie sah oder hörte ich Besseres.“[lxiv] Vor diesem Hintergrund erscheinen die Arbeiten in Paris, während der Schiffsreise und am Fuße des Vesuv wie eine Vorbereitung. Die Inspirationen, die zu dem neuen Werk führten, wurden in Würzburg, Elberfeld und Ostende niedergeschrieben. Dass sie in Würzburg mit der Arbeit nicht fertiggeworden ist, bezeugt ein Brief vom 24.3.1886 an William Quan Judge, in dem sie ihn auffordert nach Ostende zu kommen: „Sie werden für die Gesellschaft arbeiten, denn ich brauche Sie dringend für das Arrangement der Secret Doctrine. Solche Tatsachen, solche Tatsachen, wie die Meister sie herausgeben, werden Ihr altes Herz erfreuen! Oh wie ich Sie herbeisehne. Die Sache wird außerordentlich, ein Schatz von Tatsachen. Ich brauche Sie für die Berechnungen und um mit mir zu schreiben. ...“[lxv]
Die schwedische Gräfin Wachtmeister kam Ende Oktober 1885 nach Elberfeld. Kurz darauf wurde sie die Gefährtin Helena Blavatzkys in Würzburg und führte treu, ohne zunächst viel zu verstehen, alle ihr übertragenen Arbeiten an den Manuskripten der ‚Geheimlehre’ aus. Im Dezember 1885 erfuhr sie von H.P.B., daß es sich nicht um eine überarbeitete Fassung der ‚Isis entschleiert’ handeln werde, sondern dass es ein vierbändiges Werk werden würde, das ganz neu geschaffen werden solle. Es solle darin soviel von der Geheimlehre offenbart werden als die Menschheit im damaligen Stadium ihrer Entwicklung aufnehmen könne. Helena Blavatsky schränkte aber sogleich ein: „Das wird natürlich noch sehr fragmentarisch sein, und es werden notwendigerweise große Lücken unausgefüllt bleiben, aber es wird die Menschheit zum Nachdenken bringen und sobald sie dafür reif ist, wird mehr herausgegeben werden. Aber das wird nicht vor dem nächsten Jahrhundert sein, dann werden die Menschen anfangen, dieses Buch in intelligenter Weise zu verstehen und zu besprechen.“ [lxvi]
Ihren merkwürdigen Arbeitsstil haben in Würzburg besonders Gräfin Wachtmeister und Dr. Hübbe Schleiden beobachten können. Die Gräfin Wachtmeister konnte eines Tages miterleben, wie H.P.B. an der Formulierung einer Stelle zu verzweifeln schien. Immer wieder versuchte sie es erneut und jedesmal war ihr unsichtbarer Meister unzufrieden. Als sie es schließlich schaffte, legte sie eine Pause ein und Constance Wachtmeister fragte sie, wie es möglich sei, dass sie solche Fehler mache, wo ihr die Sache doch irgendwie diktiert werde. Madame antwortete darauf: „Nun sehen Sie, was ich mache, ist dies. Ich stelle etwas her, was ich nur als eine Art von Vakuum beschreiben kann, ein Vakuum in der Luft vor mir – und ich konzentriere meine Sicht und meinen Willen darauf, und bald zieht Szene nach Szene an mir vorüber, wie die aufeinander folgenden Bilder eines Dioramas.“ [lxvii] Es ist nicht schwer, vom Standpunkt eines im meditativen Leben unerfahrenen Menschen über eine solche Beschreibung zu spotten, wie es Gertrude Marvin Williams getan hat: Madame habe in ihrer Vorstellungskraft ein halbes Jahrhundert übersprungen und die modernen Errungenschaften von Mikrofilm und Kino vorausgenommen.[lxviii] Tatsächlich handelt es sich aber um nichts anderes als die jedem Meditierenden bekannte Methode der Herstellung eines leeren Bewusstseins. Zunächst wird die Seele in höchste Aktivität versetzt, dann wird der eigene Wille zurück-genommen und die Tätigkeit fließt weiter ohne dass der Tätige auf sie Einfluss nimmt. Dadurch entsteht die Möglichkeit, dass die Bestimmung der vorstellenden Tätigkeit von anderer Seite ihre Richtung erhält. So wie im gewöhnlichen Bewusstsein von der Seite der Sinnestätigkeit Bilder und andere Eindrücke den Innenraum der Seele prägen, so treten nun von der anderen Seite aus Wahrnehmungen auf, die vom denkenden Bewusstsein zu Bildern und Worten geformt werden. Das geschaute Bild fließt ebenso aus Wahrnehmung und Denken zusammen wie die Erfahrungen des Sinnesbewusstseins, nur wird die (geistige) Wahrnehmung nicht durch den physischen Sinnesapparat aufgefangen. Weil es sich um einen Zusammenfluss von Weltgeistigkeit und individueller Geistesbetätigung handelt, kann es zu derartigen Schwierigkeiten beim Ergreifen des Offenbarten kommen, wie sie der Anlass für die Frage der Gräfin Wachtmeister waren. Denn das Formulieren des Geschauten „in Worten“ ist sehr schwer und der Schauende muss den Wahrheitsgehalt jedes Wortes mit einer Art „tastenden Phantasie“ mit dem Geschauten abgleichen.
Wenn auch das Prinzipielle des Verfahrens vielen Meditierenden vertraut ist, so bleibt doch das Ungewöhnliche, dass H.P.B. ihre Inspirationen in ununterbrochener Folge über viele Monate hin empfing. Sie lebte gewissermaßen mit ihren Inspiratoren in Symbiose. Nur dadurch konnte das Buch ‚Secret Doctrine’ oder ‚Geheimlehre’ entstehen.
Dass die Schau sich aus dem „von Innen“ empfangenen Wahrnehmungsgehalt und den hinzugefügten Gedanken zusammensetzt, machte es auch nötig, dass die einzelnen Fragmente des Buches nachträglich in eine Ordnung gebracht werden mussten. Dieser Vorgang fand bei der Niederschrift der ‚Isis entschleiert’ statt und er wiederholte sich bei der Erstellung der Druckfassung der ‚Geheimlehre’.
Wilhelm Hübbe Schleiden, der sie als Präsident der Theosophischen Sozietät Germania in Würzburg besuchte, hatte Gelegenheit, sie bei der Niederschrift zu beobachten. Er nahm denselben Vorgang von außen wahr, den Madame als Seelenerlebnis beschrieben hat. Sie starrte vor sich hin als ob sie etwas vor sich sähe, wo er nichts sah, und schrieb dann etwas auf: „Ich sah sie auch Sätze niederschreiben als würde sie sie von etwas vor sich abschreiben, wo ich aber nichts sah.“[lxix] Im Unterschied zur ‚Entschleierten Isis’, deren Wortlaut sie großenteils nachts niederschrieb, arbeitete sie an der ‚Geheimlehre’ vor allem tagsüber, „vom frühen Morgen bis zum Nachmittag“. Die Schau und Niederschrift wurde durch das im Dezember 1885 hereinbrechende Unwetter des Hodgson-Reports nicht abgebrochen. Ein gewiss nicht feinfühlender Mensch brachte ihr zu Weihnachten den Hodgson-Report und erwartete auch noch eine rasche Antwort! Wie viele giftige, hasserfüllte Gedanken sie in dieser Zeit ertragen musste, ist kaum vorzustellen. Richard Hodgson schrieb im Brustton der Überzeugung, dass alles Lug und Trug gewesen sei. Viele fühlten sich betrogen, viele konnten ihr Verhalten gegenüber dem, was wir in der physischen Welt Wahrheit nennen, nicht verstehen. Viele glaubten Hodgsons Vermutung, sie sei eine russische Spionin, die die Sache Englands in Indien unterminieren wolle. Sinnett schreibt: „Sie war zu dieser Zeit , und zwar sehr oft, sich aufgrund ihrer psychischen Fähigkeiten des Sturmes bewusst, der um sie herum tobte, dunkle Angriffe erfolgten unablässig, und die Weiße Loge widersetzte sich ihnen. In diesem Wirbelsturm von miteinander kämpfenden Kräften, musste man es ihr bis zu einem gewissen Grade nachsehen, wenn sie manchmal den Kopf verlor – um einen bekannten und angemessenen Ausdruck zu gebrauchen.“[lxx]
Sie selbst sagte zu ihrer Lebensgefährtin in Würzburg: „Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, so viele ablehnende Gedanken und Gerüchte zu spüren; es ist als ob einen tausend Nadeln durchbohren., und ich muss ständig einen Schutzwall um mich herum errichten.“[lxxi]
Viele Freunde verließen sie jetzt. Im Januar und Februar 1886 traten mehrere Mitglieder aus der Societät aus. Am 8.Februar verließ auch Wilhelm Hübbe Schleiden das sinkende Schiff. Allerdings trat er gleichzeitig in die indische Sektion ein! Zu den treuesten zählten die Gebhards und die Gräfin Wachtmeister.
Wilhelm Hübbe Schleiden erzählte ihr, in Deutschland könne eine Frau verhaftet werden, nur weil sie jemand des Betrugs bezichtige. Er rate ihr dringend das Land zu verlassen. Nach England traute sie sich nicht, weil sie in der englischen Öffentlichkeit einen so schlechten Ruf hatte. Wo sollte sie hingehen? Sie suchte einen stillen Ort an der Kanalküste, der ihr weitere Treffen mit A.P.Sinnett ermöglichen würde, der an seiner entlastenden Biografie arbeitete: ‚Incidents in the Life of Madame Blavatsky‘, das 1886 erschien. Nach einem Besuch der Gebhards in Würzburg, die ihren Sohn Walter verloren hatten, entschloss sie sich jedenfalls zu einer länger währenden Sommerfrische an der See, in Belgien, wo sie hoffte, die Niederschrift der offenbarten ‚Secret Doctrine‘ beenden zu können.
Auf dem Wege dorthin traf sie auf dem Kölner Bahnhof Gustav Gebhard – es wird kein Zufall gewesen sein, dass er sie auf dem Bahnsteig traf - und dieser überredete sie, noch einmal zu ihnen nach Elberfeld zu kommen. Was nur für wenige Tage gedacht war, wurde dann doch ein längerer Aufenthalt von knapp zwei Monaten, weil sie sich gleich nach der Ankunft im Hause durch einen Sturz auf dem glatten Parkett eine Fußverletzung zuzog. Auch in Elberfeld arbeitete sie an der ‚Geheimlehre‘. Ihre Schwester Vera und deren Tochter, ebenfalls Vera, kamen Mitte Mai nach Elberfeld. Eigentlich wollten sie mit ihr den Sommer an der See verbringen. Die Nichte berichtet nun von einer kleinen Begebenheit. Morgens kam das junge Mädchen herunter und fand ihre Tante schon am Schreibtisch bei der Arbeit. An diesem Morgen schien Helena verwirrt: „‘Vera‘, sagte sie, ‚glaubst Du, Du kannst mir sagen, was ein Pi ist?‘ Ziemlich erstaunt über diese Frage sagte ich, ich glaubte, ein Pie sei ein englisches Gericht. ‚Bitte mach dich nicht lächerlich‘, sagte sie ziemlich ungeduldig, ‚verstehst Du nicht, dass ich den mathematischen Gelehrten in Dir anspreche? Komm und sieh Dir das an.‘ – Ich schaute auf das Blatt, das vor ihr lag und bemerkte, dass es mit Zahlen und Berechnungen übersät war und entdeckte bald, dass die Formel π=3,14159 falsch geschrieben war. Mehrmals stand da: ? = 31,4159. Mit großer Freude und triumphierend beeilte ich mich, sie über ihren Fehler aufzuklären. ‚Das ist es!‘, rief sie aus. ‚Das verdammte Komma hat mich den ganzen Morgen geärgert.‘…“ [lxxii] Die Nichte war erstaunt, dass ihre Tante eine umfangreiche, komplizierte Rechnung aufschreiben konnte, aber einen so einfachen Fehler nicht fand. Helena bemerkte ihr Staunen und sagte: „Du bist noch sehr grün, wenn Du glaubst, dass ich wirklich alles weiß und verstehe, was ich schreibe. Wie oft muss ich Dir und Deiner Mutter noch sagen, dass mir die Dinge, die ich aufschreibe, diktiert werden, und dass ich manchmal Manuskripte, Zahlen und Worte vor meinen Augen sehe, von denen ich vorher nichts wusste.“
In diesen Wochen im Mai-Juni 1886 scheint auch Friedrich Eckstein um eine Audienz angefragt zu haben, musste aber aus mir nicht bekannten Gründen abgewiesen werden. Eckstein war mit Arthur Gebhard, dem in New York wirkenden Sohn der Gebhards, seit einigen Jahren befreundet. Dieser hatte sogar einige Zeit in Wien gelebt. Gemeinsam hatten sie einmal versucht, Hugo Wolf eine Karriere in den Vereinigten Staaten zu ermöglichen. So wusste Friedrich Eckstein von Madames Anwesenheit und konnte ohne Umstände in Elberfeld anfragen. Eckstein erhielt ein halbes Jahr später die Gelegenheit, sie in Ostende zu sehen. Bei dieser Gelegenheit übergab sie ihm eine Urkunde, die datiert war auf Adyar „Juni 1886“. War die Übergabe schon für Sommer 1886 vorgesehen? Oder irrt sich der Zeuge Hevesi?
Gustav Gebhard hatte Sinnett gebeten, auf dem Wege nach Elberfeld ein Quartier an der Kanalküste für Helena auszusuchen. Im Hochsommer 1886, etwa Anfang August reiste Helena Blavatsky dann mit Vera Schelikowskaja und ihrer Tochter Vera Vladimirovna an die belgische Kanalküste nach Ostende. Untergebracht war sie in der Villa Nova am Boulevard Isaghem 10. Ihr stand eine Zimmerflucht zur Verfügung, vielleicht das ganze Haus, denn Gäste wurden „im oberen Stockwerk“ untergebracht. Da sie mittellos war, dürften ihre Elberfelder Freunde für die Kosten aufgekommen sein.
Nach einigen Tagen reisten ihre russischen Verwandten wieder ab. Zunächst blieb sie allein mit ihrem Hausmädchen Louisa. Sie wollte die Zeit nutzen und „schreiben und schreiben“, um ihr Werk zu vollenden.
Noch im August kam A.P.Sinnett zu Besuch, der seine ‚Incidents‘ fertigstellen wollte. Mohini, der in Frankreich durch ein Verhältnis zu einer verheirateten Dame einen Skandal bewirkt hatte, kam aus Frankreich. Und deshalb kam auch Arthur Gebhard, der mit Mohini die Bhagavad Gita studieren wollte. Er kam Mohinis wegen, nicht wegen Helena Blavatski. So hatten sich die Verhältnisse geändert.
Ende August kam Mary Gebhard, die sie treusorgend pflegte. Sie wurde von Gräfin Wachtmeister abgelöst. Weitere Besucher kamen in den nächsten Wochen. Ihre Briefe sprechen von Lane-Fox, A.P. Sinnett, Mrs. Anna Kingsford und Maitland.
Im Januar 1887 besuchte Eckstein sie wie gesagt. Die besonderen Umstände dieses Besuchs sind Ihnen vermutlich bekannt, weil die Stelle aus Hevesis Buch häufig zitiert worden ist. Wichtig ist vor allem, dass Eckstein ein Diplom für eine Loge in Wien von ihr erhalten hat und dass sie ihm ein goldenes Kreuz umgehängt hat.
Es ist dies etwa die Zeit, in der Rudolf Steiner und Eckstein sich kennengelernt haben. Der Auftrag, den Blavatski an Eckstein gegeben hat, in Wien eine theosophische Loge einzurichten, mutet im Nachhinein wie das Weiterreichen einer Fackel an. Denn Friedrich Eckstein wurde dann einer der wichtigsten Lehrer Rudolf Steiners.[lxxiii]
[i] Sylvia Cranston und Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky, Begründerin der modernen Theosophie. Grafing 1995, 2.Aufl. 2001. (Engl. New York 1993)
[ii] H.P.Blavatzky, die Botin des neuen Zeitalters. Von ihren Schülern. Hirthammer Verlag, München. 1994 (Englisch 2.Aufl. 1931)
[iii] Vgl. dazu Norbert Klatt. Der Nachlass von Wilhelm Hübbe Schleiden in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Verzeichnis der Materialien und Korrespondenten mit bio-bibliographischen Angaben. Göttingen 1996.
[iv] Vgl. dazu Kat. Gabriel von Max. Malerstar, Darwinist, Spiritist. Hrsg. von Karin Althaus und Helmut Friedel. Katalog zur Ausstellung im Lenbach-Haus in München vom 23.Oktober 2010 bis 30.Januar 2011. München 2010, S. 187 ff.
[v] Aufgrund der Abstammung mütterlicherseits von der Familie Dolgoroucky gehörte sie zum russischen Hochadel.
[vi] [Anonym:] The Rosy Cross in Russia. Russian Masonry and Novikoff. Theosophical Review 1903. S.489-501, 9-20, 138-144, 201-211, 304-306. Dank an Jennifer Hissey von der Campbell Theosophical Research Library in Sydney, die mir diesen Artikel zugänglich gemacht hat.
[vii] Personal memoirs of H.P. Blavatsky. Compiled by Mary K.Neff. 1. Aufl. 1937, Taschenbuch, Wheaton, Illinois,1971, S.25-27.
[viii] A.P.Sinnett hatte in einem Brief an Meister Koot Humi Eliphas Levis ‘Haute Magie‘ dunkel gefunden. Darauf antwortete K.H. Anfang August 1881: „Eliphas studied from the Rosicrucian Mss. (Now reduced to three in Europe.) These expound our eastern doctrines from the teachings of Rosencreuz, who, upon his return from Asia, dressed them up in semi-Christian garb, intended as a shield for his pupils against clerical revenge. One must have the key to it, and that key is a science per se. Rosencreuz taught orally. St. Germain recorded the good doctrine in figures, and his only ciphered MS. remained with his staunch friend and patron, the benevolent German Prince from whose house and in whose presence he made his last exit – Home.” Aus The Mahatma Letters to A. P. Sinnett from the Mahatmas M. & K.H. transcribed … by A.T. Barker. 7th. ed. London. 1933. S.280.- Vgl. auch Mary K. Neff. The ‘Brothers’ of Madame Blavatsky. Madras. 1932. S.29.
[ix] Rudolf Steiner. Vorverkündigung und Heroldtum des Christus-Impulses. Vortrag, Köln, 8.Mai 1912. In: Erfahrungen des Übersinnlichen. Die Wege der Seele zu Christus. G.A.143. Dornach. 1994. S.173.
[x] Rudolf Steiner. ……………………………….
[xi] Mary K. Neff. Personal memoirs of H.P.Blavatsky. [19371] Wheaton – Madras – London. 19712. S.13-14.
[xii] H.P.B. speaks. Vol.2. S. 62-63. Zitiert nach K. Paul Johnson. The Masters revealed. Madame Blavatsky and the Myth of the Great White Lodge. SUNY-Press, Albany. 2. Aufl. 1994 (1.Aufl. 1953). S.19.
[xiii] Hella Krause Zimmer. Christian Rosenkreutz. Sich kreuzende Lebenswege. Aus dem Nachlass herausgegeben von Cordelia Böttcher und Birrethe Arden-Hansen. Dornach. 2009.
[xiv] Karl von Hessen an Johann Kaspar Lavater. Siehe Horst Weigelt. Johann Kaspar Lavater. Leben, Werk und Wirkung. Göttingen 1991. S.58-59.
[xv] Karl von Hessen an Diethelm Lavater, 1.9.1819. In: Von der Alten zur Neuen Freimaurerei. Briefwechsel und Logenreden von Diethelm Lavater nach 1800. Hrsg. und eingeleitet von Werner G. Zimmermann. Im Auftrag der Modestia cum Libertate. Zürich 1994. S.469.
[xvi] Zitiert nach Hella Krause Zimmer. Christian Rosenkreutz. Sich kreuzende Lebenswege. Aus dem Nachlass herausgegeben von Cordelia Böttcher und Birrethe Arden-Hansen. Dornach. 2009. S.186-187.
[xvii] Willers Jessen. Der Nachlass des Alchemisten Grafen Saint-Germain gestorben zu Eckernförde am 27.Februar 1784. Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig Holsteinische Geschichte Nr.56. 1927. S.449-457. Dank an Michael Wortmann aus Lübeck für den Hinweis darauf!
[xviii] Zitiert nach Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Grafing 2001. S.72.
[xix] Dito S.75
[xx] 1844-45 war sie schon einmal als junges Mädchen mit ihrem Vater nach London gekommen. Diese beiden Aufenthalte werden oft verwechselt. 1850 oder 1851 war sie, wie sie sagt, allein in London.
[xxi] Zur Persönlichkeit Jung Bahadurs vergleiche Laurence Oliphant: A Journey to Cathmandu. London 1852. Oliphant, 1829 geboren, lernte den Prinzen Jung Bahadur kennen, als dieser auf der Rückreise von London in Ceylon eine Rast einlegte. Oliphants Vater war derzeit der Oberste Richter in Ceylon und so lernten sie einander auf einem Empfang kennen. Jung Bahadur lud Oliphant ein, ihn nach Nepal zurückzubegleiten, um mit ihm auf die Jagd zu gehen. Oliphant wollte aber unbedingt ein Buch schreiben. Mit diesem Buch wurde er über Nacht bekannt. Laurence Oliphant. The Russian Shores of the Black Sea and A Journey to Cathmandu. Köln, Verlag Könemann, 1998, besonders S.373-394. Nach Oliphant und allen Zeitungsberichten kam Jung Bahadur schon am 25.Mai 1850 nach London, verliess es am 20.August und war im Dezember schon wieder in Ceylon. Hier scheint in der einen oder anderen Form ein Erinnerungsfehler H.P.B.‘s vorzuliegen oder ein Mißverständnis ihrer Biografen. Wenn die erste Begegnung mit ihrem Meister im Zusammenhange mit Jung Bahadurs Besuch in London stand, dann muss diese Begegnung schon 1850 erfolgt sein!
[xxii] Jean Overton Fuller. Blavatsky and her teachers. An investigative Biography. London 1988. S. 7-10.
[xxiii] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Grafing 2001. S.76.
[xxiv] Ludwig Hevesi. MacEck’s sonderbare Reisen zwischen Konstantinopel und San Francisco. Stuttgart 1901.
[xxv] Dito. S.22.
[xxvi] Dito. S.22.
[xxvii] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Grafing 2001. S.148.
[xxviii] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Grafing 2001. S.147.
[xxix] Helena Blavatsky. Can the double murder? New York Sun, 1873, und Theosophist, Januar 1883. Übersetzt von Rolf Speckner.
[xxx] H.P.B. fügt hier ein: „…(wo ich zu der Zeit war)…“, was nicht den Tatsachen entspricht. Da sie die Geschichte unter einem Pseudonym veröffentlichte, beanspruchte sie nicht, das ganze Geschehen 1:1 abzubilden, sondern eine im Kern wahre Geschichte frei wiederzugeben.
[xxxi] Jules Dupotet, 12.4.1796 – 1.7.1881, war ein berühmter französischer Magnetiseur, der 1837 den tierischen Magnetismus in England einführte und später ein Handbuch darüber verfasst hat. Seine Schule befand sich in Nancy. Es heißt, er sei Mitglied der Theosophischen Gesellschaft geworden. Zu Dupotets harschen Methoden vgl. Margaret Goldsmith. Franz Anton Mesmer. The History of an Idea. London. 1934. S.184-186.
[xxxii] Personal memoirs of H.P.Blavatsky. Compiled by Mary K.Neff. Wheaton, Illinois. 1971. S.161: “…and this was put up and arranged for me by Illarion.” “Aufgesetzt und gestaltet von Hilarion für sie…” würde sogar heißen: sie hat die Geschichte erzählt und er hat sie aufgeschrieben.
[xxxiii] Ludwig Hevesi. MacEck’s sonderbare Reisen zwischen Konstantinopel und San Francisco. Stuttgart 1901, S.22.
[xxxiv] Ich meine gelesen zu haben, dass dabei Papus eine bedeutende Rolle gespielt hat.
[xxxv] 35 Notizbuch 1883-84. SUB Göttingen. MS W. Hübbe Schleiden. 1012: 1. S.27.
[xxxvi]„…a rather clumsy handgrip.“: A. P. Sinnett. The Early days of Theosophy in Europe. London. 1922. S.29.
[xxxvii]Henry Steel Olcott. Old Diary Leaves. The True Story of the Theosophical Society. New York & London, Madras. 1895, S.142-143.
[xxxviii] Alfred Percy Sinnett. The early days of Theosophy in Europe. London 1922. S. 30.
[xxxix] 1. Notizbuch 1884. SUB Göttingen MS W.Hübbe Schleiden. 1012:2, drittletzte Seite.
[xl] Ostende, ca. April 1886, H.P.Blavatsky an A.P. Sinnett. The letters of H.P.Blavatsky to A.P. Sinnett. London 1925. S.206.
[xli] Notizbuch 1883-84. SUB Göttingen. MS W. Hübbe Schleiden. 1012: 1. S.26.
[xlii] Notizbuch 1883-84. SUB Göttingen. MS W. Hübbe Schleiden. 1012: 1. S.10:„Colonel Olcott: What have I to do to become the disciple chela of one of the Tibet Brothers, to obtain a Mahatma guru. I mean the way in which I can apply, where and to whom. Whatever sacrifce may be required I am willing to undergo. I am not well off, but I will do anything, if I am told how to do it, in order to obtain the wisdom of Eastern Occult Science and to gain a mastery over my own Self. My animal nervesystem is I am sorry to say perfectly out of order, but I trust this can easily be restored by occult power.”
[xliii] Dito. „How is anyone to study the laws of nature & by what method is anyone to obtain perfect mastery of oneself? Where? India? South-America? How much money? Higher cognition?“
[xliv] Dito. “Are there any adepts in Europe? Who and where are the authors of ‘The Perfect Way’?“ Die Verfasser des Buches ‚The Perfect Way; or The Finding of Christ.’, 1882, sind Anna Kingsford und Edward Maitland, die damals in London lebten. Das Buch ist eine genial Darstellung der gnostischen Lehren der ersten Jahrhunderte nach Christus. Es beschreibt Christus als rein seelisches Ereignis.
[xlv] Helmut Möller und Ellic Howe behaupten in ihrem ‚Merlin Peregrinus‘ von 1986, S.75 z.B., der Dr. Carl Du Prel, Carl Kiesewetter und Dr. Franz Hartmann seien dabei gewesen. Horst E. Miers behauptet in seinem Lexikon auf S.201, H.P.Blavatsky sei dabei gewesen, als Datum gibt er S.405 den 27.1.84 an. Zu Mitgliedern erklärt er S. 405 fälschlich Gustav Meyrink, Max Dessoir und Ernst Haeckel. Robin Schmidt macht in ‚Rudolf Steiner und die Anfänge der Theosophie‘, S.61, Marys Sohn Franz Gebhard zu ihrem Ehemann. Helmut Zander verwechselt in ‚Anthroposophie in Deutschland‘ alles miteinander. So korrigiert er S.109, Anm.9, Fricks ‚Erleuchtete‘, er „verwechsle vermutlich ihren Sohn Arthur mit ihrem Mann Franz“. Ihr Mann hieß aber Gustav! Aus der Platzhoffstraße 12 wird ‚Am Platzhof 12‘ (S.110). Er gibt S.110 an, Mary Gebhard habe 1880 einen Briefwechsel mit Olcott/Blavatsky begonnen, Quelle Ransom S.138, wo nichts davon steht. Frau Blavatsky traf, wie er richtig S.110 schreibt, zwei Wochen nach der Gründung in Elberfeld ein, „wo sie sechs Tage lang bei Gebhards logierte“: Sie logierte aber sechs Wochen! Ein wichtiges Zitat wird sinnentstellt, indem er aus test-conditions text-conditions macht (S.110, Anm.18, ebenso S.112, Anm.34). Selbst die Mitgliederliste S.113-114 hat er nicht richtig abgeschrieben. Es fehlen mehrere Adressen und Eintrittsdaten, dafür sind Austrittsdaten in die Eintrittsspalte gerutscht. Aus Aline Gebhard wird Alme Gebhard. Das dritte Blatt der Liste im Göttinger Nachlaß hat er ganz übersehen. Zum Glück enthält es nur zwei Eintragungen. Es ist allgemein bekannt, dass Eliphas Levi nur zwei wirkliche und dauerhafte Schüler gehabt hat, Marie Gebhard und Baron Spedalieri. Beide haben dies selbst in Veröffentlichungen zum Ausdruck gebracht. Nach Zander „soll sie bei ihrem jahrelangen Aufenthalt in Paris zu seinem Schülerkreis gehört haben“. Zander ist so unzuverlässig wie ein Autor nur sein kann. Einige dieser Mängel mögen nur Kleinigkeiten sein. Aber die Fülle der Fehler und Falschheiten führen am Ende dazu, dass man bei nichts sicher sein kann. Zander ist eine wissenschaftliche Schlampe.
[xlvi] K.H. an Francesca Arundale. Abschrift. SUB Göttingen. Cod. Ms.W. Hübbe Schleiden. 812:1,1 Beilage. „If every fellow took for his motto the wise words of a young boy, but one who is a fervent Theosophist, and repeated with Bertram K. ‘I am a Theosophist before I am an Englishman’, no foe could ever upset your Society.”
[xlvii] K.H. an Francesca Arundale. Abschrift. SUB Göttingen Cod. Ms.W. Hübbe Schleiden. 812:1,1 Beilage. „Your branch should keep in correspondance with all the others in Europe: the Germania can help you – the others need your help. This is a movement for all Europe – not for London only remember.”
[xlviii] So der Titel seiner Übersetzung der ‚Mystik im Aufgang des neuzeitlichen Geisteslebens‘, die erst 1911 erschien. Auf dem Titelblatt erscheint das Rosenkreuz im Fünfstern, umgeben von den Anfangsbuchstaben des Rosenkreuzerspruches EDN. ICM. PSSR. Der Herausgeber betont, dass alle authorisierten Übersetzungen dieses Zeichen tragen müssen. Andere könnten nicht als authorisiert gelten.
[xlix]„Dr. Steiners treatment of his [Nicholas of Cusa’s] writings will help to throw light upon that special conception of the mystic path which Dr.Steiner himself has formed, the elucidation of which forms the guiding thread running through the present series of articles.” In: Bertram Keightley. Cardinal Nicholas of Cusa. The Theosophical Review (American edition). Vol. XXX. No.178, June 15, 1902, S.310.
[l] Francisca Arundale. Frau Blavatzky und ihr Werk. Der Vahan III.,No.4, Oktober 1901. S.60.
[li] Helena Blavatsky an Mrs. und Miss Arundale, Torre del Greco, 16.6.1885. Nach Jean Overton Fuller. Blavatsky and her teachers. London und Den Haag 1988, S. 60.
[lii] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.347. Sie berufen sich auf Helena Blavatsky. Why I do not return to India. Brief von April 1890, abgedruckt in: The Theosophist, 1922.
[liii] Rudolf Steiner, Vorverkündigung und Heroldtum des Christus-Impulses. Köln 8.Mai 1912. In: Erfahrungen des Übersinnlichen. Die Wege der Seele zu Christus. G.A.143, Dornach 1970, S. 169 und S.172.
[liv] 54 Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.348.
[lv] Helena Blavatsky an Patience Sinnett, Torre del Greco, 23.7.1885. In: The letters of H.P.Blavatsky to A.P.Sinnett. Transcribed, … by A.T.Barker. London, 1935. S.105.
[lvi] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.352.
[lvii] Jean Overton Fuller. Blavatsky and her teachers. London & Den Haag. 1988, S.164.
[lviii] Incidents in the life of Madame Blavatsky. Compiled … and edited by A.P.Sinnett. London 1913. S.235-36.
[lix] Wachtmeister. Reminiscences of H.P.Blavatsky and The Secret Doctrine. S. 99.
[lx] Incidents in the life of Madame Blavatsky. Compiled … and edited by A.P.Sinnett. London 1913. S.235-36.
[lxi] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.304.
[lxii] W.Q.Judge. About the Secret Doctrine. In: Reminiscences of H.P.Blavatsky and the Secret Doctrine. By the Countess Constance Wachtmeister, F.T.S. and others. London 1893. S. 104.
[lxiii] Rudolf Steiner sprach als Generalsekretär der Deutschen Sektion von 1902-03 an von der Aufgabe, den dritten Band der Geheimlehre zu schreiben, der sich mit der menschlichen Geschichte befassen sollte. 1910 veröffentlichte er die Geheimwissenschaft im Umriss. Das war 26 Jahre, also eine Generation später.
[lxiv] Incidents in the life of Madame Blavatsky, compiled … and edited by A.P.Sinnett. London 1913. S.237.
[lxv] W.Q.Judge. About the Secret Doctrine. In: Reminiscences of H.P.Blavatsky and the Secret Doctrine. By the Countess Constance Wachtmeister, F.T.S. and others. London. 1893. S. 104.
[lxvi] Reminiscences of H.P.Blavatsky and the Secret Doctrine. By the Countess Constance Wachtmeister, F.T.S. and others. London. 1893. S. 23.
[lxvii] Dito, S.33.
[lxviii] Gertrude Marvin Williams. Priestess of the Occult. Madame Blavatsky. New York. 1946. S.268-69.
[lxix] Reminiscences of H.P.Blavatsky and the Secret Doctrine. By the Countess Constance Wachtmeister, F.T.S. and others. London. 1893. S. 99.
[lxx] A.P.Sinnett. The Early Days of Theosophy in Europe. S. 69.
[lxxi] Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.362.
[lxxii] Zitiert nach Sylvia Cranston/Carey Williams. H.P.B. Leben und Werk der Helena Blavatsky. Begründerin der modernen Theosophie. 2.Aufl., Grafing 2001, S.378-79.
[lxxiii] Vgl. Rolf Speckner: Friedrich Eckstein als okkulter Lehrer. In: Zeitschrift Der Europäer.