P.F.Boubée: 'Misraim oder die Freimaurer'.  (1847).

Misraim ou les Francs-Macons. Poème en quatre Époques et en quatre chants par le P.:F.:Boubée. L'un des Grands-Maitres ad vitam 90o et dernier Degré de l'Ordre Mac.: de Misraim.

Paris. Chez Amable Rigaud, Dépòt Général des Publications nouvelles, Galerie Vivienne, 5 et 7. 1847.

Übersetzt von R.Speckner.

Einleitung des Übersetzers

Nach der Befreiung Europas vom Joch Napoleons und der damit verbundenen Wiederkehr der Monarchie in Frankreich wurde der Misraim-Orden von den Anhängern des Königs Ludwig XVIII. blutig verfolgt. Sie erkannten, dass er ein Sammelbecken unzufriedener entlassener Offiziere und republikanischer Carbonari geworden war. Besonders die Soldaten und Offiziere, die den Ägyptenfeldzug mitgemacht hatten, fühlten sich von Misraim angesprochen. 1823, nur neun Jahre nach der Einrichtung einer Großloge für Misraim in Paris, wurde er in Frankreich verboten. Verbot und Verfolgung endeten 1838.  

In der folgenden Zeit einer Neuorientierung und Rückbesinnung auf die freimaurerischen Quellen des Ordens und auf dessen ursprüngliche Ziele schrieb P:.F:.Boubee seine Dichtung 'Misraim ou les Francs-Macons. Poeme en quatre epoques et en quatre chants'. Boubee war damals "der eine der Großmeister ad vitam des maurerischen Ordens von Misraim". Er bekleidete "den 90. und letzten Grad".  Boubee schickte seiner Dichtung eine "vorläufige Skizze" der Geschichte der Freimaurerei und der Stellung des Misraim-Ordens darin voran. Diese Skizze soll hier nach und nach in meiner Übersetzung erscheinen, weil die Dichtung eine der wenigen frühen Originalquellen des Ordens ist.  Rolf Speckner

Titelblatt des Buches von P.:F.:Boubee: Misraim ou les Francs-Macons. Paris 1847.

'Vorläufige Skizze'  von P.F.Boubee

Wenn es schon schwierig ist in dem Jahrhundert, in dem wir leben, die Aufmerksamkeit der meisten von praktischen Zielen, die sie auf sich gezogen hat, abzulenken um sie auf die hohen Gebiete der Moral zu richten oder der Poesie, wie wird es sein, wenn der Plan, den man zeichnen will, im voraus durch Voreingenommenheit verurteilt ist,  wenn es sich handelt um eine Einrichtung, die, ohne dass man sie kennt, die Böswilligkeit als gottlos behandelt, und die die Ignoranz für lächerlich erklärt?

 

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   Lange Zeit, ich muß es gestehen, habe ich das letzte Vorurteil auch gehegt; lange habe ich geglaubt, dass die freimaurerische Einrichtung nichts anderes sei als ein Zeitvertreib für den Müßiggang, ein  Zimmertheater für die Eitelkeit. Keines der großen Geheimnisse, die mir mit Emphase angekündigt worden waren, die man mich mit so strengem Ernste hat versprechen lassen, nicht weiterzugeben, ist mir eröffnet worden, obwohl ich mittlerweile im letzten Grad des modernen Ritus angelangt war.

   Ich ahnte nichtsdestoweniger, dass es einen wirklichen Nutzen in einer Einrichtung geben müsse, die in ihrem Schoße so viele berühmte Männer gezählt hatte, und mit welcher man immer von neuem begann Fortschritte zu machen.

   So war meine geistige Einstellung beschaffen, bis die Ehrwürdige schottische Loge von Saint-Louis der wiedervereinigten Freunde im Orient von Calais im Jahr 1805 das 'Preisgericht der philantropischen und freimaurerischen Literatur' schuf, eine Einrichtung ebenso schön wie sinnreich.

   Das Preisgericht regte Untersuchungen zum Ursprung der Freimaurerei und zu ihrer Niederlassung in Frankreich an, und kündigte an, ein Preis werde demjenigen Werk zuerkannt werden, das dem Ziel am nächsten komme, das die Ehrwürdige Loge sich vorgenommen habe. 

   Eine derartige Arbeit erforderte ernsthafte Studien und Nachforschungen; es war nötig, die Annalen der Weltgeschichte durchzusehen auf Epochen, in denen es die freimaurerischen Institutionen gegeben hatte, sei es geehrt, sei es verfolgt, in den verschiedenen Gegenden des Globus; die Geschichte Ägyptens, diejenige Griechenlands, die Bücher der Hebräer, die Reisen des Pythagoras usw versorgten mich mit genügendem Material die erste Frage zu lösen,      

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und meine Arbeit erlangte die Zustimmung der Ehrwürdigen Loge; sie wurde preisgekrönt. Diese Arbeit, die damals im Auftrag der Loge gedruckt worden ist, wird am Ende des Gedichtes wieder abgedruckt werden.

   Was die Frage der Einrichtung der Maurerei in Frankreich betrifft, habe ich in meiner Arbeit gesagt, daß der Orden vom Stern, in dem der König der Großmeister war, in Frankreich durch Jean, den Sohn Philipps von Valois, gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts etabliert worden ist; und ich fügte hinzu, daß man diesen Orden  wenn schon nicht als den Ursprung, zumindest als die hauptsächlich bewegende Kraft ansehen könne für den Glanz und das Aufsehen, mit dem die Maurerei in Frankreich seit jener Epoche bis in unsere Tage hervorgetreten ist.

   Die Jury hat mich aufgefordert, neue Untersuchungen durchzuführen, um auf eine Weise, die keinen Zweifel zuläßt, Klarheit über diesen Punkt zu gewinnen, dem sie eine große Bedeutung zusprach.

    Um ihrem Begehr genüge zu tun, fuhr ich mit meinen Untersuchungen fort; aber sie kamen nicht zu dem von der Loge des Amis réunis gewünschten Ergebnis: sie liessen mich beweisen, daß wenn auch die Maurerei nicht anders als im Umfeld des 13.Jahrhunderts wirklich in Frankreich eingeführt worden ist, sie indessen schon fünf Jahrhunderte vorher bekannt war. Wenn man das Herrn Laurent in seinem Werk 'Essai sur la Franche Maconnerie glauben muß, fanden sich schon im 8. Jahrhundert bei den verstreuten Stämmen der Hebräer einige

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Initiierte, die es unternahmen ihr Geheimnis an Profane mitzuteilen. Der Mönch Siffrid erzählt außerdem in seinen Chroniken von einer geheimnisvollen Sekte, die in Frankreich existiert habe unter Karl dem Großen; aber wenn es wahr ist, dass einige Züge diese Sekte der Maurerei zu nähern scheinen, ist es ebenso wahr, daß man aus dieser Tatsache nicht den Beweis ableiten kann, daß die Maurerei schon zu jener Zeit im Westen als reguläre Institution etabliert war.

   Der einzige Schluß, den man daraus ziehen kann (und das ist ein sehr wichtiger Punkt für den Misraim-Orden), ist der, daß die Maurerei in Frankreich wirklich schon seit 1000 Jahren existierte, und dass sie Initierte hatte unter den verstreuten Stämmen der Hebräer; woraus folgt, daß diese Einrichtung, herübergebracht von den Kreuzfahrern, von ihnen angenommen wurde bei den Israeliten, deren Vorfahren den Tempel Salomonis konstruieret hatten.

   Unabhängig davon ist es erst gegen Mitte des 14.Jahrhunderts, daß man tatsächliche Spuren der maurerischen Einrichtung im Okzident finden kann. La Lande sagt in seinen Essays sur la Mac:. daß die Großloge von London in ihren Archiven allgemeine Regeln besaß, datiert auf 1340.

   Nach demselben Autor würde  das Parlament von England den Maurern verboten haben, sich zu versammeln, und dieses Verbot sei im dritten Jahr der Regierung von Heinrich VI. erlassen worden;  aber dieser Beschluß, zu dem es während der Minderjährigkeit des Königs kam,

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sollte ohne Ausführung bleiben, und seither liess Heinrich VI. sich als Freimaurer annehmen, nachdem die Häupter dieser Einrichtung auf die Fragen geantwortet hatten, die ihnen der Monarch gestellt hatte, und die in dem berühmten Manuskript von Oxford überliefert sind.

Man findet noch (außerdem) in verschiedenen geschichtlichen Dokumenten aus dieser Epoche, dass viele Sekten ihre Irrtümer unter dem Mantel der Freimaurerei verdeckt haben und zwar in verschiedenen Ländern.

Da sind zuerst die Kabalisten, die ihr freimaurerisches Leben damit verbringen, die Anzahl der Zeichen zu berechnen, die ein jeder Vers der Bibel enthält.

Dann sind es auch die Brüder vom Rosenkreuz, die man nicht mit dem Hochgrad des modernen Ritus, der den gleichen Namen trägt, verwechseln darf. Die ersteren widmeten das Abhalten ihrer Logen nicht weniger überflüssigen Dingen wie die Kabalisten.

Gemäß zweien kleinen Werken mit den Titeln 'Fama fraternitatis' und 'Confessio fratorum Roseae-Crucis' soll diese Sekte ihren Ursprung bei Christian Rosenkreuz genommen haben, der nachdem er nach dem Vorbild des Pythagoras die weite Welt bereist hatte, ausgebildet war in allen Arten der Wissenschaft, zurückgekehrt war, um in Deutschland zu sterben, wo seine Schüler 120 Jahre später die Schatzkammer der übernatürlichen Wissenschaften in seinem Sarg finden sollten.

Des weiteren findet man die Anhänger des hermetischen Wissens, die in der närrischen Hoffnung dahin zu gelangen, die Metalle zu verwandeln, und eine Panacee zu gewinnen, die den Lauf des Lebens bis zum Ende der Zeiten verlängern würde,

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