Begegnung in Corvey 826

Diese zweite Szene habe ich ebenfalls für eine Tagung in Aachen geschrieben. Sie knüpft inhaltlich an 'Der junge Ansgar in Corbie' an. Die Szene spielt in dem 823 gegründeten Korvey, dem frühmittelalterlichen Kloster in der Nähe von Höxter an der Weser. Es ist das Jahr 826, Kaiser Ludwig hat den Reichstag von Ingelheim am Rhein beendet. Wala, ein Cousin Karls des Großen, der einer der mächtigsten Männer des Reiches war, und der Theologe Radbert von Corbie sind direkt vom Reichstag nach Korvey geritten. Am Morgen nach ihrer Ankunft sucht Radbert Warin auf, den designierten Abt des Klosters. Das Zimmer ist einfach, man lebt auf einer Großbaustelle. Das bekannte Corveyer Westwerk war noch nicht vorhanden, es entstand ~870.

Ältestes Bild des Klosters Corvey. Davor der Märtyrer Stephanus, links steht der 2.Abt von Corvey Warin (826-856), rechts der nach Corvey verbannte Abt Hilduin von St.Denis. Aus dem Liber Vitae des Helmarshausener Mönches Herimannus ~1160.

Begegnung in Corvey

Radbert tritt ein.Warin sitzt an einem einfachen Holztisch über eine Rolle gebeugt, er steht sofort auf.

 

Abt Warin:         Ihr seid spät gekommen, lieber Radbert, habt Ihr auf unseren harten Bänken gut schlafen können?

 

Radbert:              Wir waren lange unterwegs und kamen müde an. Graf Wala braucht noch etwas Ruhe. Er war schon erschöpft von den Verhandlungen, als wir in Ingelheim vom Reichstag  aufgebrochen sind. Doch was uns von Ingelheim hierher geführt hat, muss uns Graf Wala selbst erzählen. Im Namen des Kaisers hat er einen Auftrag zu vergeben, den nur ein sehr demütiger und willensstarker Mönch erfüllen kann.

 

Abt Warin:         Wie geht es unseren Brüdern in Corbie, Radbert? Es ist wärmer und freundlicher in der Pikardie als hier bei uns an der Weser, nicht wahr? Wie gern denke ich an die Sommer in der lieblichen hügeligen Landschaft zurück! Wie die im Winde bewegten hohen Halme von Horizont zu Horizont wie eine wogende See schwankten und im August alles in ein erwartungsschweres stilles Reifen überging! Wie viele Gespräche haben wir im Schatten des Kreuzgangs führen können. Wie fruchtbar war die Ebene - und uns Mönchen fehlte es an nichts!

 

Radbert:              Es geht den Brüdern gut. Wir waren sehr erschrocken, als wir von den Einfällen der Nordmänner in Friesland und in der Rheinmündung hörten, aber so weit nach Süden werden sie wohl nicht kommen. Wir vermissen natürlich die vielen Brüder, die nach Korvey gegangen sind, besonders dich, Warin, Dein Rat fehlt in unserer Runde! Und natürlich fehlt uns auch Ansgar, der unseren sächsischen Zöglingen ein so wunderbarer Lehrer war. Korvey hat einige der besten Köpfe aus Corbie erhalten, die wir nicht leicht ersetzen können. Hoffentlich scheitert der Einsatz nicht an den Schwierigkeiten der Versorgung mit dem Lebensnotwendigen? Haben sich die Böden als frucht-bar herausgestellt?

 

Abt Warin:         Der Boden ist gut. Wir haben auch Wasser in Hülle und Fülle. Wir sind an zwei Seiten durch die Weser und an der dritten durch eine Hügelkette vor feindlicher Unbill  geschützt. Und der Solling auf der anderen Seite des Flusses ist so unwegsam, dass uns von dort keine Gefahr drohen kann. Es ist ein lieblicher Ort!

Das Beste aber ist, dass der Heilige Geist diese Landschaft überschattet, denn der Schöpfer hat ein Dreieck in die Landschaft geprägt, in dem wir wohnen. Darin muß der Heilige Geist wirken. Wenn die Brüder dieses Dreieck in der Seele aufrichten, dann wird er auch in ihnen wirken.  Der Herr meint es gut mit den Sachsen, er hat viel mit ihnen vor. Fast 200 Knaben und junge Männer sind schon da. Ansgar leitet die Schule und die Knaben lieben und verehren ihn.  

 

Radbert:              Und die könnt Ihr alle ernähren?

 

Warin:                 Nein, wir haben noch nicht genug Höfe. Im Jahr nach dem Umzug an die Weser erhielten wir von Graf Buto die alte Scidrioburg mit Teilen der Mark Schieder. Schieder ist nicht weit von hier. Uffo hat uns Land in Veldrom in Aussicht gestellt und Bevo in der Gegend von Oesterholz. Zum Teil werden wir schon jetzt von diesen nahegelegenen Gütern versorgt, aber das Land soll auch in unseren Besitz übergehen. Das könnte reichen, aber die Mönche können nicht zugleich das Land bebauen und die Kirche errichten. Vielleicht bekommen wir auch noch Land in Holzhausen. Was wir bräuchten, wären Meierhöfe, die uns direkt beliefern können. Auf den langen Wegen geht manches verloren und verdirbt.

 

Radbert:              Und wie geht es mit dem Bau der Kirche voran?

 

Warin:                 Adalhard hat den Bauplan der Kirche selbst mit den Brüdern auf dem Erdboden abge-steckt. Du warst ja dabei. Es war gestern Abend wohl zu dunkel, um die kleine Behelfskirche zu sehen, die uns jetzt dient. In fünf Jahren wird sich in den Sandstein-Mauern der erste Abschnitt des Langschiffs abzeichnen. Der Altar wird bleiben, wo er ist: in der Mitte der Anlage. Meine Augen werden die Vollendung des Ganzen wohl nicht mehr sehen, aber im Geiste schwebt das Bild ständig vor mir, wie Adalhard es vor uns hingestellt hat.

 

Radbert:              Graf Adalhard hatte Großes im Sinn, als er Korvey mit Kaiser Ludwigs Hilfe ins Leben rief. Er will den Geist Roms, der jetzt mit der Römischen Kirche verbunden ist, bändigen. So wie Rom von zwei Brüdern gegründet worden ist, so ist auch Korvey von zwei Brüdern gegründet worden. Während aber die Stadt sich durch glänzende Waffentaten hervorgetan, und dabei mehr und mehr mit Blut besudelt hat, wollte Adalhard hier ein neues Rom gründen, eine Heilige Stadt, in der sich die Bewohner durch Taten der Demut, der Nächstenliebe und des Erkennens auszeichnen. Die Brüder wollen einen Anfang damit machen, das Himmlische Jerusalem auf die Erde herunter zu holen.

 

Warin:                 Und warum gerade hier? Adalhard hat oft erzählt, dass Korvey ein Heiligtum für ganz Sachsen werden soll. Er hat von der Stätte bei Hethis gesprochen, an die die Brüder anknüpfen wollten und wo die Gründung abgebrochen werden musste. Die Versorgung mit allen lebensnotwen-digen Gütern sei dort nicht gewährleistet gewesen. Aber wir haben hier mit denselben Schwierig-keiten zu kämpfen.

Als Adalhard erkrankte, wollte er mir noch etwas anvertrauen, weil er in mir seinen eventuellen Nachfolger für Korvey sah. Schon drei Jahre nach seiner Gründung soll Korvey unabhängig werden von dem Mutterkloster, obwohl es wirtschaftlich noch gar nicht selbständig ist. Warum diese Eile? Ich ahne, es hat etwas mit der Mission Korveys Korveys zu tun. Aber wenn es ein Heiligtum von ganz Sachsen werden soll, warum dann hier am Südende des Sachsengaus und nicht irgendwo in der Mitte? Adalhard konnte es mir nicht mehr erzählen. Christus hat ihn zu anderem berufen. Wie kann ich dieses Kloster aufbauen, ohne die ganze Wahrheit zu wissen?

 

Radbert:              Du sollst alles erfahren, mein Freund, was ich weiß. Der erste Gründungsversuch fand an einem Ort statt, der schon Jahrhunderte der heidnischen Götterverehrung gesehen hatte.

 

Warin:                 Ist das das Heiligtum, das Karl 772 zerstört hat? Das Irminsul-Heiligtum?

 

Radbert:              Ja, man kann an einem Tag von hier zu Fuß dorthin gelangen.

 

Warin:                 Und warum haben wir das Kloster ausgerechnet an einer Stelle gegründet, an der seit langem ein Götze verehrt worden ist und dem Land Unehre gebracht hat?

 

Radbert:              Solche Orte sind uns von Gregor, einem alten Bischof von Rom, sogar ausdrücklich dafür empfohlen worden. Er meinte, das Volk sei den Weg zum Heiligtum gewöhnt und werde der Gewohnheit folgend den Ort – trotz des gewandelten Kultes – weiterhin aufsuchen. Diese Abhängigkeit der Menschen von ihren Gewohnheiten hat tatsächlich an vielen Orten dazu geführt, daß die Schafherde Christi zu groß wurde. 

Die Sache hat aber noch eine andere Seite: Augustinus sagt, dass es immer Christen gegeben hat, sie haben nur noch nicht den Namen getragen. Unter anderen Namen, unter anderen Bildern – die Kreuzi-gung war ja noch nicht geschehen – hat man ihn immer verehrt.

Gerade an den höchsten Heiligtümern waren die heidnischen Priester sich der Herabkunft des Sonnenwesens, das sagen durfte „Ich bin das Licht!“, bewusst. Sie erwarteten die Herabkunft Christi! Die Erwartungsstimmung, die über den großen Heiligtümern der Heiden lag, fand durch die Botschaft von der Inkarnation des Sonnenlogos ihre Erfüllung. 

Wala weiß das. Und er hat eine Schau gehabt, die ihn auf das alte Felsenheiligtum als den rechten Ort für die Klostergründung hinwies.

 

Warin:                 War Walas Mutter nicht Sächsin?

Radbert:              Walas Mutter war aus dem sächsischen Hochadel. Nur dadurch konnte Wala von den sächsischen Verwaltern des verwaisten Heiligtums die Erlaubnis erhalten, dort ein christliches Kloster zu gründen. Adalhard, der ältere der beiden, folgte der Schau seines jüngeren Bruders und dem unerwartet erfolgreichen Erwerb des Ortes. 

Nach dem Tode Karls wurde Adalhard, wie du weißt, nach Noirmoutier verbannt. Dort lebte er bald mehr mit den Engeln als mit den Menschen. Er war ein Erforscher der Himmelreiche geworden. Er schaute mit großem Weitblick ebenso auf das Gegenwärtige wie auf das Zukünftige und alles, was sich demgegenüber noch ereignen kann.

 

Warin:                 Du solltest uns ein Leben Adalhards schreiben, Radbert!

 

Radbert:              Ich habe es schon begonnen und es wird bald fertig sein. – Adalhard war also von Kaiser Ludwig, der Adalhards Einfluß fürchtete, nach Noirmoutier verbannt worden…

 

Warin:                 Liegt Noirmoutier nicht auf der Insel Heri in der Loiremündung? Und nutzt der Kaiser die Insel nicht zugleich als eine Art von Gefängnis?

 

Radbert:              So wie Patmos, wo Johannes die Himmelreiche schauen durfte: mitten unter den Ausgestoßenen und Verbrechern erlebte Johannes die Apokalypse. Auch Adalhard lebte meditativ mit der Frage nach dem Sinn der Geschichte und suchte die konkreten Aufgaben, die sich aus diesem Sinn ergeben. Ich konnte das aus der Ferne verfolgen, denn damals hat Adalhard sich aus der Corbier Bibliothek Bücher nach Heri schicken lassen. Ich erinnere es noch genau, es ist mehr als zehn Jahre her, aber ich arbeitete ja fortwährend in der Corbier Bibliothek. Einige konnten wir ihm schicken. Andere ließ er in Noirmoutier abschreiben. Ein solcher in Noirmoutier abgeschriebener Codex war ihm besonders wichtig und er hat ihn nach seiner Begnadigung 821 nach Corbie mit zurück gebracht: Die „Historia ecclesiastica tripartita“, zusammengestellt von Cassiodor. Ein Briuder hat die Herkunft der Handschrift in dem Codex vermerkt. Darin sind Übersetzungen von drei griechischen Kirchen-schriftstellern, die den Verlauf aller Ereignisse seit dem Kreuzestod Christi in einem Zusammenhang mit der Auferstehung sehen.

 

Warin:                 Warum hat Adalhard denn ausgerechnet diese Geschichtsdarstellungen gelesen und abschreiben lassen?

 

Radbert:              Adalhards zentrale Meditation war das Wort des Paulus: „Nicht Ich, sondern der Christus in mir!“ In den Jahrzehnten der Zusammenarbeit mit Kaiser Karl erlebte Adalhard immer deutlicher, dass die Zukunft der Christenheit von den Menschen selbst abhängig ist, insbesondere von Karl und seinen Gefährten. Karl strebte die Verwirklichung eines Gottesstaates an. Darin sollte der Kaiser der Repräsentant Christi sein, die Könige von Italien, Aquitanien, und anderen Gebieten des Reiches sollten gewissermaßen die Repräsentanten ihres jeweiligen Volkes, das heißt von dessen jeweiligem Erzengel sein. Karl und seine Vettern haben verstanden, dass die Zukunft des Sachsen-stammes nur gewährleistet werden kann, wenn sich die starken Kräfte, die sich in diesem Stamme zeigen, mit dem Christus verbinden. Unser Reich kann nicht nur ein Reich der Franken sein, sondern auch der Sachsen, der Bayern, der Italiener und Aquitanier. Es ist nicht Karls oder Ludwigs Privat-besitz, sondern das Land und die Menschen sind ihm anvertraut – und er muss vor Gott Rechenschaft ablegen.

 

Warin:                 Die Frage, ob das Reich mehr ist als ein karolingischer Familienbesitz, ist ja auch der Kern der Auseinandersetzungen  zwischen Ludwig, seinen Söhnen und den anderen Verwandten! Adalhard und Wala möchten die Einheit des Reiches wahren, weil sie Ausdruck der Einheit der Christenheit ist.

Als Abt des Klosters Korvey werde ich mich immer ganz und gar hinter Kaiser Ludwig stellen. Ein Teil der Erben möchte völlige Selbständigkeit in einem eigenen Reich. Sie wollen nicht einem Bruder als Kaiser huldigen müssen, selbst wenn sie gleichzeitig Könige eines Teilreiches sind. Sie sehen nicht, dass Michael und Christus dieses Reich leiten. Kaiser Ludwig hat den Erzengel Michael nicht willkürlich zum Schutzgeist des neuen Kaiserreiches ausgerufen.

                              

Radbert:              Cassiodor sprach davon, dass die Weltherrschaft des Römischen Reiches an andere Mächte übergegangen sei. Er hat diesen Übergang der Herrschaft und die damit verbundene Umwandlung des römischen Volksgeistes, der Roma, nicht nur als Tatsache beobachtet, sondern er war dabei als die Umwandlung im Herzen des Römischen Volksgeistes geschah, denn er vertrat ihn auf Erden. Cassiodor hat die erste Hälfte seines Lebens im Dienste des Ostgotenkönigs Theoderich in Ravennna gewirkt mit dem erklärten Ziel einen Ausgleich zwischen Germanen und Römern zu schaffen. Die germanische Sitten-reinheit und ihre Willenstärke wollte er mit der römischen Rechtspflege, Staatsorganisation und mit den griechischen Wissenschaften und Künsten verbinden. Eine kühne Idee. Aber nach Theoderichs Tod ließen seine Söhne im Streit miteinander das Erbe zerfallen. Cassiodor ging nach Byzanz und kam nach einigen Jahren wieder zurück, um in Süditalien ein Kloster zu gründen, Vivarium. Er organisierte sein Kloster zu einem wirtschaftlich florierenden und weitestgehend autarken Unternehmen und gab ihm die Aufgabe, in einen geistigen Kampf mit dem Heidentum einzutreten, indem er die wissenschaftliche und philosophische Bildung der Mönche förderte.

 

Warin:                 Willst Du damit sagen, dass der Römische Volksgeist selbst jetzt der führende Geist der Kirche geworden ist?

 

Radbert:              Genauso ist es.

 

Warin:                 Kommt daher der immer wieder auflodernde herrische Geist des Bischofs von Rom?

 

Radbert:              Das mag wohl sein.

 

Warin:                  Da geht mir Einiges auf!

 

                Wala tritt ein. Radbert spricht weiter, ohne ihn zu bemerken. Warin versucht vergebens ihn     aufmerksam zu machen:

 

Radbert:              Cassiodor war dabei, als der Ruck im innersten Heiligtum des Volksgeistes geschah. 25 Jahre lang hat Cassiodor Theoderich gedient, um mit Hilfe der Waffen des großen Germanenkönigs das alte Römische Reich wieder zu errichten. Nach Theoderichs Tod ging Cassiodor nach Byzanz und kehrte von dort mit der Überzeugung zurück, dass der Geist des Römischen Volkes ganz neue Wege sucht.    Noch einmal diente Cassiodor 27 Jahre lang dem Geist des Römischen Volkes, indem er das Kloster Vivarium schuf. Auch der Gründer unseres Ordens, der Heilige Benedikt muss das gespürt oder sogar gewußt haben, denn er gründete sein erstes Kloster auf den Fundamenten eines römischen Legionslagers am Monte Cassino!

                              

Wala:                   Seid gegrüßt, meine Brüder! Ich sehe es genauso wie Du, Radbert. Mein Bruder Adalhard fühlte sich verantwortlich für das Reich. Es war seine Initiative mit der Gründung Korveys dem römischen Volksgeist eine neue Heimat zu schaffen, einen Ort, an dem die angedeutete innere Wandlung sich vollziehen konnte. In Noirmoutier fasste er den Entschluss, die Gründung des christlichen Zentralheiligtums der Sachsen in Hethis abzubrechen. Ich konnte das nicht verstehen und als wir uns in Hethis bei dem alten Felsheiligtum getroffen haben, stritten wir uns heftig.  

 

Warin:                 Und was hat den Ausschlag gegeben?

 

Wala:                   Eine Schau. Er hatte auf Heri Christus mit den ihm verbundenen Erzengeln gesehen: mit dem griechischen Volksgeist, dem römischen und dem keltischen Volksgeist und einigen der Stammesgeister der Germanen. Und er sah, dass die Krone von dem römischen Volksgeist in die Hände der Sachsen übergeben wurde. Das sah er als Wahrbild. Er sah ein römisches Reich, von germanischen Völkern getragen, entstehen, wie es Cassiodor angestrebt hat. Und der römische Volksgeist stellte seine kämpferischen Fähigkeiten ganz in den Dienst des geistigen Kampfes: des Kampfes mit sich selbst und des Kampfes gegen die Lügengeister. Es mußte etwas ganz Neues in Sachsen gegründet werden, das doch eine römische Grundlage haben sollte. So suchte er einen jungfräulichen Platz, an dem doch schon etwas Römertum Fuß gefasst hatte. In der Villa Huxori fand er diesen Ort. –

Ich muss noch etwas Wichtiges                hinzufügen, aber [zu Warin gewandt] rufe erst Ansgar zu uns, denn das muss auch er wissen.

 

Warin: Hier ist ja noch alles übersichtlich. Er unterrichtet nebenan. Ich hole ihn.           

 

                Warin geht und holt Ansgar aus dem Unterricht. Nach einer Weile kehren sie zurück.

 

Ansgar: [zu Wala]        Herr, Ihr habt mich rufen lassen?

 

Wala:                   Höre! Kaiser Ludwig hat in Ingelheim den dänischen König Harald mit seinem Gefolge taufen lassen. Harald hat ihn gebeten, ihm Priester mitzugeben, damit er seinen Glauben nicht verliere und sein Volk die wahre Lehre empfange. Harald ist nicht der bedeutendste Herrscher in der Danemark. Er wurde von seinen Brüdern des Amtes enthoben und vertrieben. Dass er sich an Ludwig wandte, hat also auch politische Gründe. Aber er hat um die Taufe gebeten, und Kaiser Ludwig ist vor wenigen Tagen in Ingelheim sein Pate geworden. Der Kaiser sucht nun einen Mann, der bereit ist die Fahrt mit König Harald nach Jütland anzutreten. Ihr habt immer gesagt, dass Ihr alle Gefahren auf euch zu nehmen bereit wärt, um unserem Herrn Christus zu dienen. So dachte ich gleich an Euch. „Kennt jemand einen Mann, der bereit ist zu einer solchen Fahrt?“ fragte der Kaiser. Schweigen. Da erhob ich die Stimme, dass ich jemanden weiss, der vielleicht dazu bereit ist. Willst Du solch ein Schicksal, unter Heiden zu leben freiwillig auf dich nehmen? Was sagst Du, Ansgar?        

 

Ansgar:               Herr, Ihr wisst, dass ich die Heiden nicht verachte. Es gibt unter Ihnen gute und schlechte Menschen wie unter den Franken. Ich wäre glücklich, wenn ich Ihnen die Botschaft Christi bringen dürfte. Was kann es Schöneres geben, als die Herzen der Menschen für Christus, für die Liebe aufzuschließen? Herr, ich bin bereit, das auf mich zu nehmen, denn ich sehne mich nach dem Martyrium, um in Christi Nähe gelangen zu können. Aber ich will dem Kaiser meine Antwort selbst geben.

 

Wala:                   Das habe ich von Dir erwartet. Es ist nur ein Vorgespräch, aber ein Nötiges, bevor wir nach Ingelheim reiten, wo Kaiser Ludwig und König Harald Deine Antwort erwarten. Suche Dir noch einen Gefährten!

 

Ansgar:                Aber werden die Dänen mich annehmen können? Ich bin ein unbekannter Mönch von einem unbekannten Ort.

 

Wala:                   Du bist Ihnen unbekannt, Ansgar, aber sie werden dich kennen lernen und Dein Stern wird leuchten im Norden wie der Polarstern in der Nacht. Und der Ort von dem du kommst, ist bei Ihnen bekannter als bei uns.

 

Ansgar:                Herr, wie kann das sein?

 

Wala:                   Hethis, unser erster Gründungsort, war nach den Überlieferungen meiner sächsi-schen Verwandten der Ort, über dem Asgard lag. Hier suchten die germanischen Priester und Könige den Rat der sie führenden Wesen. Aber diese geistigen Führerwesen haben sich Christus angeschlossen.

 

Warin:                 Ach!

 

Ansgar:                                Aha … !?

 

Wala:                   Der Abt von Herford, unserem Schwesterkloster, hat die Überlieferungen gesammelt.  Hier empfingen die Sachsen, aber auch die Germanen des hohen Nordens Weisungen der Götter, aber die Götter sind für sie verstummt. Sie wissen, dass nach der Götterdämmerung der einnächtige Sohn Odins, hervortreten und der Starke von Oben alles regeln wird. Sie warten darauf.

Du lebst hier und vernimmst die Weisungen des einen Gottes, des  Starken von Oben. Du schaust und hörst. Das werden sie verstehen – und dass diese Weisungen an dem Ort empfangen wurden, der einmal ihren Göttern diente, wird Dir bei ihnen das ganze Ansehen des alten Heiligtums geben.

 

Ansgar:                Fahren wir morgen nach Ingelheim?

 

Wala:                   Morgen treten wir den Weg von Asgard nach Ingelheim an – 

                              und dann fährst Du gen Norden!

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© Rolf Speckner